- SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider möchte wieder direkt Flüchtlinge aus Krisenregionen im Nahen Osten aufnehmen, doch die Kantone widersetzen sich.
- Den Kantonen sind die Asylzahlen zu hoch und die Aussichten im Ukraine-Krieg zu ungewiss: Die neue Asylministerin blitzt mit ihrer Forderung ab.
Letzten Freitag traf Elisabeth Baume-Schneider eine Spitzendelegation der Kantone. Dabei gab sie bekannt, dass sie wieder direkt Flüchtlinge aus den Krisengebieten im Nahen Osten in der Schweiz aufnehmen möchte. Mehrere Teilnehmende der Sitzung bestätigen das.
Programm für besonders verletzliche Flüchtlinge
Sie bestätigen auch, dass die SP-Bundesrätin mit ihrer Forderung auf Granit biss. Die Asylzahlen seien zu hoch, die Aussichten im Ukraine-Krieg zu ungewiss, sagt Alain Ribaux. Der Neuenburger Regierungsrat ist Vizepräsident der Konferenz aller kantonalen Justiz und Polizeidirektoren. «Für die Kantone ist es nicht so einfach, und deswegen ist es nicht der richtige Moment zu sagen: Wir starten wieder mit diesem Programm.»
Das Aufnahmeprogramm heisst im Fachjargon Resettlement. Damit kommen besonders verletzliche Flüchtlinge, die beispielsweise aus Afghanistan oder Syrien stammen, ohne Asylverfahren in die Schweiz und dürfen bleiben. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR vermittelt die Flüchtenden, meist sind es Frauen, Familien oder Menschen mit schweren Gesundheitsproblemen.
Hohe Zahl der Asylanträge gab Ausschlag
Baume-Schneiders Vorgängerin Karin Keller-Sutter hatte das Programm Ende Jahr auf Eis gelegt, damals bereits wegen der hohen Asylzahlen. Und nun stellen sich die Kantone gegen einen Neustart. «Die Kantone haben wegen dieser Kapazitäten interveniert», sagt Marianne Lienhard, Glarner Regierungsrätin und Vizepräsidentin der Konferenz der Sozialdirektoren aller Kantone.
Sie geht davon aus, dass die Kantone derzeit in einer starken Position sind. Im Frühsommer könne man die Sache wieder anschauen, sagt Lienhard, vorher aber nicht. Das Departement von Bundesrätin Baume-Schneider will das Nein der Kantone auf Anfrage nicht kommentieren.
UNO-Flüchtlingshilfswerk enttäuscht
Enttäuscht aber zeigt sich Anja Klug. Sie leitet das Schweizer Büro des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. «Wir hätten uns sehr gewünscht, dass das Programm wieder aufgenommen wird. Wir haben weiterhin einen sehr hohen Bedarf.»
Wir hätten uns sehr gewünscht, dass das Programm wieder aufgenommen wird.
Hinzu komme die aktuell besondere Situation in der Türkei, ergänzt Klug. Dort seien viele Flüchtlinge vom Erdbeben betroffen. Beim UNHCR suche man deshalb verstärkt Plätze. Bis auf Weiteres aber nimmt die Schweiz keine Flüchtlinge mehr direkt aus den Krisengebieten auf.