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Baume-Schneiders Asylpläne Kantone gegen Direktaufnahme von Flüchtlingen aus Krisenregionen

  • SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider möchte wieder direkt Flüchtlinge aus Krisenregionen im Nahen Osten aufnehmen, doch die Kantone widersetzen sich.
  • Den Kantonen sind die Asylzahlen zu hoch und die Aussichten im Ukraine-Krieg zu ungewiss: Die neue Asylministerin blitzt mit ihrer Forderung ab.

Letzten Freitag traf Elisabeth Baume-Schneider eine Spitzendelegation der Kantone. Dabei gab sie bekannt, dass sie wieder direkt Flüchtlinge aus den Krisengebieten im Nahen Osten in der Schweiz aufnehmen möchte. Mehrere Teilnehmende der Sitzung bestätigen das.

Programm für besonders verletzliche Flüchtlinge

Sie bestätigen auch, dass die SP-Bundesrätin mit ihrer Forderung auf Granit biss. Die Asylzahlen seien zu hoch, die Aussichten im Ukraine-Krieg zu ungewiss, sagt Alain Ribaux. Der Neuenburger Regierungsrat ist Vizepräsident der Konferenz aller kantonalen Justiz und Polizeidirektoren. «Für die Kantone ist es nicht so einfach, und deswegen ist es nicht der richtige Moment zu sagen: Wir starten wieder mit diesem Programm.»

Einschätzung: Schweiz kann humanitäre Zusagen kaum mehr einhalten

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Ohne die so genannten Resettlement-Flüchtlinge könne die Schweiz ihre eigenen humanitären Zusagen eher nicht mehr einhalten, sagt SRF-Bundeshausredaktor Dominik Meier. «Der Bundesrat wollte bis Ende Jahr noch knapp 1000 Flüchtlinge direkt aufnehmen. Selbst wenn die Aufnahme im Sommer wieder starten würde, reicht das kaum.»

Bei den Resettlement-Flüchtlingen geht es meist um kranke oder traumatisierte Menschen, die besonders aufwändige Betreuung brauchen. Den Kantonen und Gemeinden fehle aber entsprechendes Betreuungspersonal, so Meier. «Dass die Kantone bremsen, ist aus ihrer Perspektive nachvollziehbar.»

Die Erwartungen an die neue SP-Bundesrätin bei humanitären Aktionen wie zum Beispiel der Flüchtlingsaufnahme seien hoch, doch Baume-Schneiders Spielraum ist beschränkt, erklärt Meier. So sei die Bundesrätin etwa jüngst bei den Visa für die Erdbebenopfer ausgebremst worden.

«In rund drei Monaten muss Baume-Schneider dem Bundesrat ein neues Ziel vorschlagen für die direkte Aufnahme von Flüchtlingen in den kommenden zwei Jahren.» Dies dürfte laut dem Bundeshausredaktor eine knifflige Sache werden, mitten im Wahljahr in einer sehr angespannten Asylsituation.

Das Aufnahmeprogramm heisst im Fachjargon Resettlement. Damit kommen besonders verletzliche Flüchtlinge, die beispielsweise aus Afghanistan oder Syrien stammen, ohne Asylverfahren in die Schweiz und dürfen bleiben. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR vermittelt die Flüchtenden, meist sind es Frauen, Familien oder Menschen mit schweren Gesundheitsproblemen.

Hohe Zahl der Asylanträge gab Ausschlag

Baume-Schneiders Vorgängerin Karin Keller-Sutter hatte das Programm Ende Jahr auf Eis gelegt, damals bereits wegen der hohen Asylzahlen. Und nun stellen sich die Kantone gegen einen Neustart. «Die Kantone haben wegen dieser Kapazitäten interveniert», sagt Marianne Lienhard, Glarner Regierungsrätin und Vizepräsidentin der Konferenz der Sozialdirektoren aller Kantone.

Sie geht davon aus, dass die Kantone derzeit in einer starken Position sind. Im Frühsommer könne man die Sache wieder anschauen, sagt Lienhard, vorher aber nicht. Das Departement von Bundesrätin Baume-Schneider will das Nein der Kantone auf Anfrage nicht kommentieren.

UNO-Flüchtlingshilfswerk enttäuscht

Enttäuscht aber zeigt sich Anja Klug. Sie leitet das Schweizer Büro des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. «Wir hätten uns sehr gewünscht, dass das Programm wieder aufgenommen wird. Wir haben weiterhin einen sehr hohen Bedarf.»

Wir hätten uns sehr gewünscht, dass das Programm wieder aufgenommen wird.
Autor: Anja Klug UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR

Hinzu komme die aktuell besondere Situation in der Türkei, ergänzt Klug. Dort seien viele Flüchtlinge vom Erdbeben betroffen. Beim UNHCR suche man deshalb verstärkt Plätze. Bis auf Weiteres aber nimmt die Schweiz keine Flüchtlinge mehr direkt aus den Krisengebieten auf.

Bund registriert im Januar weniger Asylgesuche

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Im Januar 2023 sind in der Schweiz gut 2500 Asylgesuche registriert worden. Das sind rund sechs Prozent weniger als im Vormonat und über ein Viertel weniger als noch im November, wie das Staatssekretariat für Migration (SEM) mitteilte.

Gegenüber Januar 2022 liegt die Zahl der Asylgesuche um rund 1000 höher. Wichtigste Herkunftsländer waren Afghanistan und die Türkei. Dahinter folgten Algerien sowie Marokko. Laut SEM wurden im Januar 2023 rund 2000 Asylgesuche bearbeitet.

Knapp 400 Personen erhielten Asyl, weitere rund 570 Menschen wurden vorläufig aufgenommen. Weitere rund 1000 Personen verliessen die Schweiz kontrolliert oder wurden in ihr Herkunftsland oder einen Drittstaat rückgeführt.

Im Januar wurde zudem gut 2100 aus der Ukraine geflüchteten Personen der Schutzstatus S erteilt. Bei 67 schutzsuchenden Personen wurde er abgelehnt, weil die Kriterien nicht erfüllt waren. Per Ende Januar hatten insgesamt knapp 64'000 Personen den Schutzstatus S.

HeuteMorgen, 23.02.2023, 06:00 Uhr

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