Es sind gewaltige Wassermassen, die Tag für Tag den Rheinfall hinunterstürzen. 600 Kubikmeter pro Sekunde fliessen im Sommer im Schnitt über die 25 Meter hohe Felsstufe. Diese Wucht nagt langsam, aber stetig an den beiden Felszähnen, die aus dem Rheinfall ragen.
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Bild 1 von 4. Der grosse Felsen im Rheinfall ist per Boot erreichbar und mit seiner Aussichtsplattform ein Touristenmagnet. Bildquelle: KEYSTONE/Eddy Risch.
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Bild 2 von 4. Rechts neben dem grossen Felsen befindet sich der kleine Felsen. Er ist nicht zugänglich. Bildquelle: Keystone/GAETAN BALLY.
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Bild 3 von 4. Geologe Sandro Truttmann und sein Kollege nehmen an mehreren Stellen auf dem grossen Felsen Messungen vor. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 4. Der Geologe achtet darauf, dass das Erdbebenmessgerät korrekt ausgerichtet ist. Bildquelle: SRF.
Der grosse Felszahn des Rheinfalls ist begehbar und eine Touristenattraktion. Hier nimmt Geologe Sandro Truttmann gemeinsam mit einem Kollegen Messungen vor. Auf der Aussichtsplattform richtet er ein Erdbebenmessgerät – so gross wie ein kleiner Kochtopf – mit einem Kompass genau gegen Norden aus. «Wir messen hier die seismische Bodenunruhe, also die Hintergrundvibrationen, die hier durch den Wasserfall entstehen», sagt Truttmann. So lasse sich bestimmen, wie steif der Felsen ist. Dies ermöglicht Aussagen über dessen Stabilität.
Umspült und von Klüften durchsetzt
Der Rheinfallfelsen ist vor rund 15'000 Jahren entstanden. Seither wird er von den Wassermassen umspült. Langsame Erosions- und Verwitterungsvorgänge schwächen den Kalkfelsen, der ausserdem von Klüften durchzogen ist, in Zeitlupe. «In geologischen Zeiträumen ist natürlich absehbar, dass er irgendwann, in Tausenden von Jahren, kollabiert», sagt Truttmann.
Geologe Truttmann arbeitet im Auftrag der Kantone Zürich und Schaffhausen, denen der Rheinfall gehört. Mit den Messungen wollen sie gewährleisten, dass die Touristinnen und Touristen den grossen Felsen sicher begehen können. «Zurzeit gibt es keinen Anlass für irgendwelche Sicherheitsbedenken, was die Stabilität des Felsens anbelangt», sagt Jürg Sturzenegger, der zuständige Projektleiter vom Kanton Schaffhausen. «Die Untersuchungen sind eine präventive Vorsichtsmassnahme.»
Neue Methode erlaubt Rückschlüsse auf Stabilität
Seit Anfang der 1980er-Jahre wird der Rheinfallfelsen laut Sturzenegger überwacht. Etwa alle zehn Jahre werde die Stabilität mit visuellen Methoden beurteilt – letztmals 2011. «Glücklicherweise wurden keine Veränderungen festgestellt. Das heisst: Der Felsen ist sicher.»
«Die bisherigen Methoden beruhen auf äusserlichen Merkmalen», sagt Sturzenegger. Dass die Vibration bzw. seismischen Schwingungen des Felsens gemessen werden, ist hingegen neu. «Mit dieser neuartigen Methode, der sogenannten Vibrometrie, erhoffen wir uns, einen Einblick in die innere Struktur des Rheinfallfelsens zu erhalten», sagt er. Ausserdem könnten mit weiteren Messungen in Zukunft mögliche Instabilitäten im Felseninnern erkannt werden, wenn sich das Schwingungsverhalten verändert haben sollte.
Kantone planen laufende Überwachung
Für Geologe Truttmann geht es nach der Messung auf dem Rheinfallfelsen darum, die Daten auszuwerten. Laut Sturzenegger kommen noch weitere Untersuchungen am Felsen dazu. «Zusammen mit dem Kanton Zürich entscheiden wir, wie es weitergeht. Es wird wahrscheinlich auf ein Überwachungskonzept hinauslaufen.» So wollen die beiden Kantone laufend genau wissen, wie stabil der Felsen im Rheinfall steht.