Es ist eine Geschichte, die Fragen aufwirft: Eine Mutter und ein Vater aus der Region Bern haben den Verdacht, dass ihr Kind von jemandem ausserhalb der Familie sexuell missbraucht worden sein könnte. Dies, weil ihr Kind etwas angedeutet hat.
Die Eltern machen eine Anzeige bei der Polizei. Diese leitet das Verfahren dann an die Berner Kinderschutzgruppe weiter, welche Befragungen von vier- bis sechsjährigen Kindern durchführt, wenn der Verdacht auf Kindesmisshandlung besteht.
Mutter kritisiert Vorgehen bei Befragung
Die Mutter, die aus Datenschutzgründen anonym bleiben möchte, kritisiert jedoch die Befragung – sie als Eltern und ihre Tochter seien nicht gut darauf vorbereitet worden. «Wir sind nicht darauf hingewiesen worden, dass unsere Tochter eine Vertrauensperson mitnehmen kann. Es hiess, die Befragung findet alleine statt. Punkt», sagt die Mutter zu SRF-Regionaljournal.
Dies, obschon dies in der Strafprozessordnung festgehalten sei. Dort steht: «Das Opfer kann sich bei allen Verfahrenshandlungen von einer Vertrauensperson begleiten lassen.» Aber es ist laut Gesetz ebenso möglich, diese vom Verfahren auszuschliessen.
Die Schilderungen der Mutter sind offenbar kein Einzelfall. Linda Borner von der Fachstelle Opferhilfe bei sexualisierter Gewalt Lantana sagt, dass die Eltern oder deren gesetzliche Vertreter bei Kindsbefragungen nicht flächendeckend über ihre Rechte informiert würden.
Im Kanton Freiburg hingegen würden die Stellen, die Kindesbefragungen durchführten, viel proaktiver informieren als im Kanton Bern. Dies sagt Laura Jost, Rechtsanwältin am Institut für Kindsvertretung des Kantons Bern.
Eine solche Befragung wegen sexualisierter Gewalt ist für Kinder eine Extremsituation.
Die Angehörigen und die Mütter oder Väter erhalten im Verdachtsfall von sexuellem Missbrauch Unterstützung von Lantana, der Fachstelle Opferhilfe bei sexualisierter Gewalt. Linda Borner von der Fachstelle findet, dass es für die Kinder immer ein Gewinn ist, wenn eine Vertrauensperson bei der Befragung dabei ist. «Eine solche Befragung wegen sexualisierter Gewalt ist für Kinder eine Extremsituation.»
Es schützt die Kinder eher, wenn sie die Emotionen der Mutter oder des Vaters gerade nicht spüren und einfach erzählen können.
Mischa Oesch ist leitende Psychologin der Kinderschutzgruppe. Sie sagt, es spiele für die Kinder keine Rolle, ob eine Vertrauensperson bei der Befragung mit dabei ist oder nicht. «19 Jahre Erfahrung mit Kindesbefragungen zeigen: Es schützt die Kinder eher, wenn sie die Emotionen der Mutter oder des Vaters gerade nicht spüren und einfach erzählen können.» Oberstes Ziel sei, dass die Aussagen der Kinder im Strafverfahren verwertbar seien. Die meisten Vertrauenspersonen seien dort in der Regel auch Partei.
Polizei braucht verwertbare Aussagen
Wie der Kinderschutzgruppe gehe es auch der Kantonspolizei in erster Linie darum, dass die Aussagen der Kinder als Beweismittel verwendet werden könnten. «Da müssen wir von Fall zu Fall abschätzen, ob eine Vertrauensperson beeinflussend sein könnte oder nicht», sagt Barbara Schärrer, die bei der Berner Kapo für Sexualdelikte zuständig ist. Jährlich finden dort circa 200 Kindsbefragungen statt.
Schärrer betont, dass vor der Einvernahme ein Gespräch mit der Begleitperson stattfinde, wo man entsprechende Merkblätter mit den Hinweisen zu Vertrauenspersonen verteile und die Sache den Leuten erkläre.