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Berset passt Tarife an Psychiater befürchten schlechtere Behandlung von Patienten

  • Psychiater und Psycho-Therapeuten schauen sorgenvoll in die Zukunft, nachdem Bundesrat Alain Berset die ambulanten Tarife für 2018 bekannt gegeben.
  • Gleichzeitig erhalten auch die psychiatrischen Kliniken für die stationäre Behandlung neue Tarife.
  • Die Psychiater befürchten, dass die Patienten darunter leiden – und folglich auch sie selber.

Pierre Vallon ist ein stattlicher Mann mit Brille, den wohl nichts so rasch aus dem Gleichgewicht bringt. Und doch ist der Psychiater mit Praxis in der Westschweiz besorgt.

Die Pläne von Bundesrat Alain Berset für die Leistungsabrechnungen hätten für Psychiater schwerwiegende Folgen, sagt der Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie.

«Psychiater werden immer mehr an Papierkram leiden, und sie werden zunehmend überfordert wegen Dingen, die mit dem Patienten nicht direkt etwas zu tun haben», sagt Vallon.

Bei einem Suizidalen können wir doch nicht ständig auf die Uhr schauen
Autor: Pierre Vallon Präsident der Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie

Hätten sie dann direkt mit den Patienten zu tun, in Gesprächen, dann würden die Neuerungen zeitliche Einschränkungen bringen. Das sei «unmöglich», sagt Pierre Vallon und fügt hinzu: «Wir können doch nicht ständig auf die Uhr schauen bei einem Telefonat mit jemandem, der in einer Krisenlage oder gar suizidal ist.»

Die Psychiater befürchten, psychisch Kranke nicht mehr angemessen ambulant behandeln zu können. Möglicherweise führe das zu mehr Klinik-Einweisungen und somit zu mehr Kosten.

Experte warnt vor unsicherer Zeit

Doch auch in den psychiatrischen Kliniken bringt das Jahr 2018 komplett neue Tarife. Eine Zeit der Unsicherheit stehe bevor, sagt etwa René Bridler. Er ist ärztlicher Direktor des Sanatoriums Kilchberg im Kanton Zürich und befasst sich seit Jahren mit der Tarif-Entwicklung.

Psychisch Kranke werden schneller aus der Klinik entlassen
Autor: René Bridler ärztlicher Direktor des Sanatoriums Kilchberg

«Die Entschädigung, die ein Spital erhält, sinkt jeden Tag. Das führt dazu, dass die Aufenthaltsdauer unter Druck geraten wird», sagt Bridler.

Das heisst: Psychisch Kranke werden schneller aus der Klinik entlassen. Heute bleiben sie rund 30 Tage. Würden sie früher entlassen, suchten sie unter Umständen schneller wieder Hilfe in der psychiatrischen Klinik, so Bridler weiter.

Psychiater sorgen sich um Nachwuchs

Diesen Drehtür-Effekt will Pierre Vallon verhindern, am besten mit guter Zusammenarbeit zwischen Fachleuten in der ambulanten und der stationären Psychiatrie.

Sarkastisch meint der Präsident der Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie jedoch zum Schluss: «Wir müssen uns anpassen oder vielleicht aussterben.»

Vallon sorgt sich also nicht nur um die Patienten im neuen Jahr, sondern auch um seine Berufskollegen, die seit Jahren von Sorgen um den Nachwuchs geplagt sind.

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