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Betrugsverdacht Betreiber von «MeinArzt»-Praxen in Haft

Der Besitzer von rund 30 Schweizer Hausarztpraxen ist in Haft. Der Verdacht: Betrug. In seinen Praxen herrscht Chaos.

Im Juni berichtete die «Rundschau» über Kritik am Praxislabel «MeinArzt»: Ärzte und Lieferanten warfen dem Gründer Christian Neuschitzer unsaubere Methoden vor. Er mache etwa falsche Versprechungen und bezahle Rechnungen nicht.

Neuschitzer wehrte sich in der «Rundschau» entschieden gegen die Vorwürfe und sagte, er wolle weiter expandieren, auf 500 Arztpraxen oder mehr. Der österreichische Geschäftsmann hatte bereits rund 30 Schweizer Praxen übernommen und unter seinem Label betrieben.

Verhaftung in Italien

Nun überschlagen sich die Ereignisse: Die Staatsanwaltschaft Zürich hat ein Strafverfahren gegen Neuschitzer eröffnet und vorübergehend sämtliche Bankkonti eingefroren. Die Zentrale in Zürich, wo Neuschitzer im Juni die Rundschau empfangen hatte, war zeitweise polizeilich versiegelt.

Christian Neuschitzer gestikuliert und blickt in die Ferne.
Legende: Ärzte und Lieferanten werfen dem «MeinArzt»-Gründer Christian Neuschitzer unsaubere Methoden vor. Nun ist er wegen Betrugsverdacht in Haft. SRF

Kurz darauf taucht Christian Neuschitzer unter, die Ärzte und das Praxispersonal können ihn nicht mehr erreichen. Vergangenen Freitag meldet die Zürcher Staatsanwaltschaft, dass Neuschitzer in Italien verhaftet worden sei. «Eine Überstellung in die Schweiz wird angestrebt». Die Staatsanwaltschaft betont, es gelte die Unschuldsvermutung.

Verdacht auf Covid-Kredit-Betrug

Recherchen der Rundschau zeigen jetzt, dass es bei dem Strafverfahren um den Verdacht auf Covid-Kredit-Betrug geht. Nach Angaben von Insidern soll die Credit Suisse Meldung gemacht haben.

Der Rundschau liegen Kreditanträge für Neuschitzers verschiedene Firmen im Umfang von rund 5 Millionen Franken vor. Darunter ein Antrag über 150’000 Franken für eine Praxis, die, nach eigenen Angaben, längst unabhängig von MeinArzt arbeitete. Ausbezahlt wurde schliesslich ein Betrag von rund vier Millionen Franken.

Kernteam per SMS gekündigt

Mitte August hat Neuschitzer den meisten Mitarbeitenden der Zentrale nach einem Streit um ausstehende Löhne fristlos gekündigt. Darunter dem CFO und Treuhänder, Sébastien Rey. Im Interview mit der Rundschau erzählt dieser, es sei ein Schock gewesen: «Christian war wie eine fremde Person».

Rey war ein enger Vertrauter von Neuschitzer, auch gegen ihn läuft ein Strafverfahren, deswegen kann er sich zum Verfahren gegen Neuschitzer nicht äussern.

Neuschitzer war für eine Stellungnahme nicht erreichbar – wegen des Vorgehens der ausländischen Behörden, teilt sein Anwalt auf Anfrage mit. «Es ist keineswegs so, dass mein Mandant nicht Stellung nehmen will. Vielmehr kann er dies nicht.»

Praxispersonal läuft davon

Derweil herrscht in den Arztpraxen Chaos. Den Praxen, die noch geöffnet haben, fehlt es an dringend benötigten Produkten wie etwa Medikamenten. Hausarzt Martin Illi erzählt: «Selbst Medikamente, die man injiziert, muss der Patient erst in der Apotheke abholen.»

Weil das Personal keinen Lohn mehr erhalten hat, kündigen viele bei laufendem Betrieb. «Wenn man Opfer von falschen Versprechungen wird, ist das sehr schlecht», sagt Markus Milota, bis vor Kurzem in der MeinArzt-Praxis Effretikon ZH tätig.

Die Recherche zeigt: Viele der rund 30 MeinArzt-Praxen sind entweder geschlossen oder machen Ferien. Die Patienten stehen teils ohne Ankündigung vor verschlossener Türe, versuchen in manchen Praxen vergeblich, an ihre persönlichen Patientendaten zu kommen.

Hier sind nun die kantonalen Gesundheitsdirektionen gefragt: Ihnen obliegt die Aufsicht über alle Arztpraxen.

«Rundschau»

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«Rundschau»

Mehr zum Thema in der « Rundschau » um 20.05 Uhr auf SRF 1.

Rundschau, 9.9.2020

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