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Beziehungen zur EU Gewerkschaften kritisieren Gespräche zwischen der Schweiz und EU

  • Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse sind unzufrieden mit dem Verlauf der Gespräche zwischen der Schweiz und der EU zu institutionellen Fragen.
  • Der Bund habe bei den Sondierungen einem Abbau bei Lohnschutz und Service public zugestimmt.
  • Aus dem Projekt eines institutionellen Rahmenabkommens sei ein Liberalisierungsprogramm geworden, kritisierten die beiden Organisationen an einer Medienkonferenz in Bern.

Der Bundesrat müsse diese Fehler korrigieren. Die vorliegenden Vorschläge seien ungenügend, sagte SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard.

Die Gewerkschaften befürchten insbesondere, dass durch eine geplante gemeinsame Erklärung das Ergebnis der eigentlichen Verhandlungen vorweggenommen wird. Nun müsse der Bundesrat echte Verhandlungen führen, forderte Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich. Denn man dürfe die Fragen, um die es gehe, nicht der Diplomatie und der Verwaltung überlassen.

Adrian Wuethrich, Präsident Travail Suisse, Pierre-Yves Maillard, Präsident SGB und Daniel Lampart, Chefökonom SGB
Legende: Adrian Wüthrich, Präsident Travailsuisse (links), Pierre-Yves Maillard, Präsident SGB (Mitte) und Daniel Lampart, Chefökonom SGB (rechts) kritisieren den Bundesrat an einer Medienkonferenz in Bern. (6. November 2023) Keystone/ /Peter Schneider

«Eigenartiges Politikverständnis»

«Es wurde uns so eins zu eins mitgeteilt: Mehr gibt es nicht», sagte SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Er habe die Bundesverwaltung daraufhin gefragt, was sie für ein eigenartiges Politik- und Rechtsverständnis habe. Setze man die hiesigen Regeln nicht durch, könnten ausländische Unternehmen Schweizer Preise verlangen und ausländische Löhne zahlen, warnte Lampart: «Das wäre das Eldorado für die Firmen und die Hölle für die Arbeitnehmenden.»

Arbeitgeber sind mit EU-Spesenreglung nicht einverstanden

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Wie die Gewerkschaften ist auch der Arbeitgeberverband mit der Spesenreglung der EU für entsandte Arbeitnehmende nicht einverstanden. Er fordert, dass «eine geeignete Lösung gefunden» wird. «Dass die in der EU geltende Regelung bei grossen Lohnunterschieden nicht taugt», zeige etwa, dass Deutschland diese nicht umsetze, schreibt der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Die Arbeitgeber fordern den Bundesrat deshalb dazu auf, mit der EU «hart zu verhandeln». Den Lohnschutz insgesamt sehen die Arbeitgeber jedoch nicht gefährdet. «Wo es Anpassungsbedarf wegen einer drohenden Verschlechterung des Lohnschutzes gibt, wurden innerstaatliche Gegenmassnahmen gesucht und gefunden», heisst es weiter. Die ausgearbeiteten Massnahmen reichten aus, um den Lohnschutz zu erhalten. Für bestehende Probleme bleibe man weiterhin im Dialog und suche nach Lösungen, auch unter den Sozialpartnern, so die Arbeitgeber weiter. Der Arbeitgeberverband fordert den Bundesrat daher dazu auf, die Verhandlungen mit der EU zum Abkommenspaket zu starten.

Der SGB-Chefökonom betonte, in keinem Land sei die Gefahr von Lohndruck so gross wie in der Schweiz. Dies, weil ausländische Unternehmen hier viel höhere Preise verlangen und Firmen aus den Nachbarländern in ihrer Muttersprache arbeiten könnten.

Umstrittene Spesenreglung

Die Gewerkschaften stören sich insbesondere daran, dass die Schweiz das sogenannte Herkunftsprinzip bei Spesenregelungen übernehmen soll. Damit erhielten Arbeitnehmende, die in die Schweiz entsandt werden, künftig Spesenentschädigungen nach den Bestimmungen in ihrer Heimat – und nicht mehr gemäss Schweizer Gesamtarbeitsverträgen.

Schweizer Unternehmen und Arbeitnehmende hätten dadurch einen Wettbewerbsnachteil, ausländische Arbeitnehmende würden diskriminiert, lautet die Kritik. Das polnische Arbeitsrecht etwa kenne keine Spesenregelung, sagte Lampart.

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Das Prinzip «gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» drohe damit verwässert zu werden, sagte Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia. Und es gehe dabei keineswegs um «Peanuts», sondern um sehr erhebliche Lohnanteile für die Betroffenen.

«Keine Verhältnisse wie in Deutschland»

Die Gewerkschaften fürchten zudem eine schlechtere Versorgung der Bevölkerung beim Strom und im Bahnverkehr. Die von der EU-Kommission verlangte Übernahme von EU-Recht in diesen Bereichen würde nach ihrer Aussage eine vollständige Liberalisierung des Strommarktes für Kleinkunden und den Marktzugang für Bahnunternehmen wie Flixtrain im internationalen Personenverkehr bedeuten.

Noch vor einem Jahr habe der Gewerbeverband gefordert, Unternehmen sollten beim Strom in die Grundversorgung zurückkehren können, sagte Maillard. Dies, weil die volatilen Preise im freien Markt für viele zur Bedrohung geworden seien.

In Europa habe die Bahnliberalisierung in aller Regel zu einem schlechteren Angebot, schlechteren Arbeitsbedingungen, Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit geführt, sagte Matthias Hartwich, Präsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV).

 Bundesrat entscheidet in einigen Wochen

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Dem Vernehmen nach sind die Sondierungen zwischen der Schweiz und der EU so weit abgeschlossen: Konkret wurden gemeinsame «Landezonen» als Basis für künftige Verhandlungen definiert. Die Ergebnisse aus den Sondierungsgesprächen sollen nun in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten werden.

Anschliessend wird der Bundesrat voraussichtlich im Dezember oder Januar sein Verhandlungsmandat präsentieren und zu den beiden Aussenpolitischen Kommissionen und den Kantonen in die Konsultation schicken. Je nachdem könnten dann die Verhandlungen im kommenden Februar oder März beginnen.

Gegenüber SRF bestätigt das Aussendepartement, dass sich die exploratorischen Gespräche mit der Europäischen Kommission in der Endphase befinden. Parallel zu den Gesprächen mit der EU habe der Bundesrat interne Arbeiten durchgeführt, bei denen alle wichtigen Interessengruppen einbezogen worden seien, insbesondere die aussenpolitischen Kommissionen des Parlaments, die Kantone, die Sozialpartner und die Wirtschaft. «Die Sondierungsgespräche greifen dem Ergebnis einer möglichen Verhandlung nicht vor», hält das EDA fest. «Der Bundesrat wird die Ergebnisse der Gespräche mit der EU und der internen Arbeiten analysieren und über die nächsten Schritte entscheiden. Er wird zu gegebener Zeit informieren.»

SRF 4 News, 06.11.2023, 14 Uhr ; 

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