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Verhältnis mit der EU Wer ist schuld am Rahmenabkommen-Aus – und wie geht es weiter?

Die Parteien sehen sich gegenseitig in der Schuld. Auch beim weiteren Vorgehen herrscht nach wie vor Uneinigkeit.

Zehn Tage nach dem offiziellen Aus des Rahmenabkommens mit der EU schieben sich die politischen Parteien gegenseitig die heisse Kartoffel zu. FDP-Präsidentin Petra Gössi machte in der Samstagsrundschau von Radio SRF die linken Parteien und die Gewerkschaften verantwortlich – und nicht wie von dort häufig kolportiert, die FDP-Bundesräte.

Auch wenn unterschiedliche Vorschläge eingereicht würden – was auch FDP-Magistraten gemacht hätten – brauche es im Bundesrat einen Mehrheitsentscheid. Und die Partei müsse nicht immer einverstanden sein damit, was die Exekutive mache, sagte die Schwyzer Nationalrätin. Wichtig sei in Bezug auf das Rahmenabkommen, dass in der Sache nun endlich ein Entscheid gefällt worden sei.

Ein bürgerlicher Schulterschluss?

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Ein EU-Beitritt komme für sie nicht in Frage, betonte Petra Gössi in der Samstagsrundschau. Entsprechend könne man auch nicht mit der SP zusammenarbeiten, so die FDP-Parteipräsidentin weiter.

Der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser erklärte gegenüber SRF weiter, die SP und der Bundesrat hätten das Rahmenabkommen zusammen an die Wand gefahren. Die FDP müsse sich nun überlegen, ob es für das Dossier eine Lösung im bürgerlichen Lager gebe – beispielsweise mit einem Schulterschluss zwischen FDP, SVP und der Mitte.

Der Luzerner SVP-Nationalrat Franz Grüter sagt, es sei begrüssenswert, bürgerliche Partner zu haben für den weiteren Weg. Man werde sicher Gemeinsamkeiten finden, so Grüter weiter, etwa bei einer von der FDP angedachten «Fitness-Kur» für die Schweiz – mit Steuersenkungen für Unternehmen und flexibleren Arbeitsgesetzen.

Diese Vorstellung ist für SP-Nationalrat und Gewerkschafter Pierre-Yves Maillard ein rotes Tuch. Der Bundesrat sei nun in der Pflicht, einen Prozess mit den Sozialpartnern zusammen zu eröffnen, um zu einer Lösung zu kommen.

Ganz anders äusserte sich heute Jürg Grossen, Parteipräsident der Grünliberalen in den Zeitungen der Tamedia. Grossen hielt den Abbruch der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen für einen «krassen Fehlentscheid» und «das grösste Armutszeugnis» des Bundesrats.

Dieser habe kollektiv versagt, doch die FDP trage die Hauptverantwortung. Die Freisinnigen seien für ihn sogar nicht mehr Regierungs-tauglich.

Die grosse Frage: Wie weiter?

Uneins sind sich die GLP und die FPD auch darüber, wie es nun weitergehen soll. FDP-Präsidentin Gössi will voll auf den bilateralen Weg setzen. «Die Bilateralen bleiben der Königsweg», sagte Gössi. Die Partei habe kein Interesse am EU-Beitritt und «nur an einem Freihandelsabkommen.» Auch der EWR-Beitritt sei für sie kein Thema.

Der Europäische Wirtschaftsraum EWR

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Der EWR wurde 1994 mit dem Ziel eingerichtet, die EU-Bestimmungen über den Binnenmarkt auf die Länder der Europäischen Freihandelszone (EFTA) auszudehnen. Neben den EU-Mitgliedsländern sind auch Norwegen, Island und Liechtenstein EWR-Mitglieder. Die Schweiz hatte einen Beitritt mit einem knappen Volksmehr und einem klaren Ständemehr 1992 abgelehnt.

Jürg Grossen hingegen findet einen EWR-Beitritt der Schweiz eine valable Alternative, welche ernsthaft diskutiert werden müsse. Der EWR-Beitritt biete den vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt, die Teilhabe an der europäischen Forschungszusammenarbeit, an der Stromversorgung, und er enthalte Mechanismen für die Konfliktlösung.

Der EWR sei aber nicht der favorisierte Weg der GLP, so der Berner Nationalrat weiter. Aus Sicht der Grünliberalen bleibe der Abschluss eines Rahmenabkommens «der Königsweg», weil es den bilateralen Weg auf lange Zeit stabilisieren würde.

SP-Spitze will EU-Beitrittsverhandlungen

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Legende: SRF / Andrea Jaggi

Die SP-Spitze will den Bundesrat zur Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen zwingen. Am kommenden Dienstag berät die SP-Fraktion einen entsprechenden Vorstoss ihres Aussenpolitikers Fabian Molina, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Molinas Forderung hat dem Bericht zufolge beste Chancen angenommen zu werden. Sowohl die Fraktionsspitze als auch die Parteileitung stehen hinter dem Antrag, wie Fraktionsschef Roger Nordmann der Zeitung bestätigte. «Wir müssen den Beitritt jetzt enttabuisieren», begründete er die Vorwärtsstrategie der Genossen. SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer sagte der Westschweizer Zeitung «Le Matin Dimanche», dass ein «kritischer und pro-europäischer dritter Weg» möglich sei «zwischen den Isolationisten und den absoluten Fans des Rahmenabkommens». Im Parlament dürfte eine Beitrittsforderung auf grossen Widerstand stossen. Die Genossen wollen laut eigenen Aussagen jedoch nicht zuletzt erreichen, dass sich der Bundesrat gegenüber der Beitrittsforderung positionieren muss.

Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände im Clinch

Nach dem Aus des Rahmenabkommens bleiben auch die Fronten zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden verhärtet. Einig ist man sich zwar darin, dass man die Zusammenarbeit mit der EU stärken wolle, doch wie – darüber gehen die Positionen stark auseinander.

Am Kongress der Gewerkschaft Unia, der am Freitag und Samstag virtuell stattfand, betonte Präsidentin Vania Alleva, man sei gegen den Angriff auf den Lohnschutz gewesen, nicht gegen das Rahmenabkommen an sich. Die Schweiz solle nun die Aufenthaltssicherheit und die sozialen Rechte von EU-Bürgerinnen und -Bürgern stärken – namentlich im Fall von Arbeitslosigkeit. So würden Kernelemente der Unionsbürgerrichtlinie umgesetzt.

Stefan Brupbacher, Direktor von Swissmem, dem führenden Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, spricht sich klar dagegen aus. Die Unionsbürgerrichtlinie führe schlicht zu Zuwanderung in die Sozialwerke. «Was wir dagegen fordern, sind starke Zeichen bei der autonomen Reform und Modernisierung der flankierenden Massnahmen», so Brupbacher. Das führe zu einem besseren Lohnschutz, sogar mit weniger Kontrollen.

SRF 1, Samstagsrundschau, 11:30 Uhr ; 

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