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Der Konsum von Schmerzmitteln steigt
Aus Tagesschau vom 29.01.2024.
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BFS-Gesundheitsbefragung Warum greifen junge Männer vermehrt zu Schmerzmitteln?

In der Schweiz werden seit 1992 immer mehr Schmerzmittel konsumiert. Das geht aus der neuesten BFS-Gesundheitsbefragung hervor. Während zwischen 2012 und 2017 bei jungen Frauen ein Anstieg des Schmerzmittelkonsums zu beobachten war, scheint der Trend nun auf junge Männer überzugreifen. Knapp 22 Prozent der Männer zwischen 16 und 24 Jahren gaben 2022 an, in der Woche zuvor ein Schmerzmittel geschluckt zu haben. 2017 waren es noch 15.1 Prozent. Für den Psychotherapeuten Felix Hof kommt dies nicht überraschend.

Felix Hof

Felix Hof

Psychotherapeut

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Felix Hof ist Psychotherapeut mit eigener Praxis in Zürich. Sein Fokus liegt auf der Psychotherapie für Jugendliche, junge Erwachsene, Paare und Familien.

SRF News: Immer mehr junge Männer greifen offenbar zu Schmerzmitteln. Ein Trend, den Sie bestätigen können?

Felix Hof: Die Zahlen sind erschreckend. Auch bei mir in der Praxis verzeichne ich eine Zunahme von Anmeldungen junger Männer zwischen 16 und 24 Jahren. Sie kommen oft wegen psychosomatischer Beschwerden zu mir. Das können Kopfschmerzen, Übelkeit, fehlende Energie oder Bauchschmerzen sein. Sie wollen behandelt werden. Das wird einerseits in einer Selbsttherapie gemacht, andererseits mithilfe der Hausärzte, also durch Medikation.

Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für diesen Anstieg?

Die Anforderungen an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben exponentiell zugenommen. Die Dichte dessen, was sie im Alltag leisten müssen, ist extrem. Das stelle ich im Praxisalltag immer wieder fest.

Es ist ein klares Phänomen, dass vor allem junge Männer in der Bewältigung ihres Alltages mehr Schwierigkeiten haben.

Auf der anderen Seite sind Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene nicht mehr so gut ausgerüstet, um diesen Anforderungen zu genügen. Sie sind weniger belastbar, sie haben in der Stressverarbeitung häufiger Probleme und wissen zum Teil gar nicht, wie sie mit ihrem Alltag umgehen sollen. Das kann zu psychosomatischen Beschwerden führen, aber auch zu psychischen Erkrankungen.

Frauen nehmen insgesamt noch immer mehr Schmerzmittel als Männer. Doch bei Männern zwischen 16 und 24 Jahren ist der Anstieg nun deutlich grösser. Warum ist das so?

Darüber bin ich mir noch nicht im Klaren. Aber es ist ein klares Phänomen, dass vor allem junge Männer in der Bewältigung ihres Alltags im Moment mehr Schwierigkeiten haben. Sie können oder wollen den Anforderungen offenbar weniger genügen als junge Frauen und können weniger gut mit Stress umgehen.

Ein Mann drückt eine Schmerztablette aus einem Blister.
Legende: Zwischen 2012 und 2017 war vor allem bei jungen Frauen ein Anstieg des Schmerzmittelkonsums zu beobachten. Nun scheint der Trend auf junge Männer überzugreifen. IMAGO / Westend61

Was kann man tun, um junge Erwachsene zu schützen?

Die Eltern müssen in die Pflicht genommen werden. Sie müssen für die Belastbarkeit ihrer Kinder und jungen Erwachsenen sorgen. Also ihre Kinder fit machen für den anspruchsvollen, beschleunigten Alltag, indem sie sie bestärken. Andererseits erwarte ich, dass unser Bildungssystem junge Menschen fit macht für das Leben nach der Schule oder der Erstausbildung.

Häufig sind junge Menschen nicht ausreichend ausgerüstet, um den Anforderungen einer Berufslehre oder eines Studiums zu genügen.

Junge Menschen greifen im Ausgang zu Suchtmitteln, die Energie zuführen. Danach brauchen sie zum «Runterfahren» Benzodiazepine oder Schmerzmedikamente.

Und das wird dann übertönt mit Schmerzmitteln.

Genau, und mit Beschwerden. Es ist ein unheilvolles Wechselspiel von «Ich fühle mich nicht gut, also mache ich eine Selbsttherapie» oder «Ich lasse mir durch den Hausarzt eine Therapie oder ein Medikament verordnen».

Nebst dem Schmerzmittel steigt auch der Drogenkonsum. Besteht da ein Zusammenhang?

Das ist meine Arbeitshypothese. Viele junge Menschen greifen im Ausgang zu Suchtmitteln wie Kokain oder Ecstasy, die Energie zuführen. Danach brauchen sie zum «Runterfahren» Benzodiazepine wie Valium oder Temesta.

Oder wenn körperliche Beschwerden auftreten – und die gibt es häufig nach expansivem Ausgangsverhalten – wird mit Schmerzmedikamenten für Besserung gesorgt. Denn am nächsten Tag muss man wieder fit sein.

Das Gespräch führte Sandra Büchi.

Mehr zur BFS-Gesundheitsbefragung

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Das Bundesamt für Statistik (BFS) führt die Gesundheitsbefragung seit 1992 alle fünf Jahre durch. Befragt wird eine Stichprobe der ständigen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren. Die vielfältigen Daten erlauben neben dem Gesundheitszustand Rückschlüsse auf das Gesundheitsverhalten oder die Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems.

Das Bundesamt für Statistik (BFS) hat die Resultate der Befragung 2022 am Montag veröffentlicht.

Tagesschau, 29.01.2024, 12:45 Uhr;

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