Normalerweise verkaufen Landwirte in ihrem Hofladen Kirschen, Milch oder Käse. Die Familie Müller in Thayngen (SH) hingegen verkauft Treibstoff: Erneuerbares und CO₂-neutrales Biogas. Dafür betreibt die Familie eine Tankstelle mit einer Zapfsäule. Sie steht für ein «Leuchtturmprojekt», wie es der Verband Ökostrom Schweiz bezeichnet.
Gut für die Umwelt, teuer fürs Portemonnaie
Speziell an der Mini-Tankstelle ist, dass das Biogas direkt auf dem Anwesen produziert wird. «Es stammt von Mist, Gülle und organischen Abfällen aus unserem Hof und anderen Thaynger Betrieben», sagt Landwirt Christian Müller. Genau diesen Stoffkreislauf schätzen die Kunden und Kundinnen laut Müller.
Siebzehn private Kunden tanken ihre Autos bei der Familie Müller. Unter ihnen ist auch ein lokales Entsorgungsunternehmen. Günstig aber ist das Biogas nicht. Fast 2.90 Franken kostet ein Kilo.
Zwar lässt sich der Preis etwas relativieren: Ein Kilo Gas entspricht bei einem Auto rund anderthalb Litern Benzin. «Doch es gibt sicher preiswertere Möglichkeiten», sagt ein Kunde beim Tanken.
In der Nähe verkauft eine Tankstelle fossiles Erdgas für 1.65 Franken pro Kilo. «Aber wenn ich in der Nähe bin, tanke ich hier», sagt der Autofahrer. «Denn ich möchte der Umwelt Gutes tun.» Teurer als Erdgas ist Biogas unter anderem wegen der aufwendigeren Aufbereitung.
Extra Mais anzubauen, ist verboten
Das Biogas entsteht auf dem abgesperrten Gelände hinter der Zapfsäule. Hier entlädt ein Gemüsebauer aus der Region gerade tonnenweise Rüst- und Ernteabfälle. Es sind welke Salatköpfe und alte Zwiebeln.
«Futter- und andere Nahrungsmittel dürfen wir nicht verwerten», sagt Andrea Müller. Die Landwirtin ist in Schaffhausen auch als SVP-Präsidentin und Kantonsrätin bekannt.
Ort des Vergärens
Für die Gasproduktion extra Mais anbauen, wie es Landwirte im Ausland teilweise machen, ist in der Schweiz verboten. Dies wäre ohnehin nicht nötig. 15'000 Tonnen Mist, Gülle, Küchenabfälle und Grüngut kommen jährlich zusammen. Damit «füttern» Andrea und Christian Müller ihre Biogas-Anlage.
In unterirdischen Tanks, sogenannten Fermentern, vergärt das Material. Im Innern der Anlage leben Mikroorganismen. Deshalb vergleicht Andrea Müller die Biogas-Anlage mit einem Stall: «Nur leben statt Kühe Bakterien darin». Diese bauen das organische Material ab und wandeln es in Roh-Biogas um. Später entstehen daraus Treibstoff, aber auch Strom und Wärme.
Ein weiterer Vorteil: Statt auf dem Feld vergärt die Gülle in der luftdichten Anlage. «Dies entzieht die leichtlöslichen Gase, die Geruchsemissionen verursachen», sagt Andrea Müller. Hochwertiger Dünger entsteht, der auf den Äckern später kaum stinkt.
Lange Bewilligungsverfahren schrecken ab
Zwar wird einheimisches Gas vor dem Hintergrund des russischen Krieges derzeit immer wichtiger. Doch schweizweit haben erst rund 150 Bauernhöfe eine Biogas-Anlage. Andrea Müller sieht hohe Hürden dafür als Grund. Ihre Familie habe mithilfe der Bank Millionen in die Biogas-Anlage investiert. Nebst viel Wissen brauche es zudem einen langen Atem beim Bewilligungsverfahren.
«Das schreckt viele ab», ist Andrea Müller überzeugt. «Viele haben weder Geld noch Nerven für einen jahrelangen Rechtsstreit.» Müller setzt sich deshalb unter anderem für einfachere Bewilligungsverfahren ein. Dafür hat sie kürzlich einen Vorstoss im Schaffhauser Kantonsrat eingereicht.