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Blockierte Reformen Das Gesundheitswesen geht im Wartezimmer vergessen

Die Pandemie fordert alle im Gesundheitswesen. Aktuell besonders im Fokus: die Spital-Kapazitäten, die fehlenden Fachkräfte, die Versorgung. Kaum im Fokus: die Kosten, welche die Marke von 85 Milliarden überstiegen haben und die Reformen. Dabei hätten die Reform-Projekte das Potenzial, unsere Versorgung nicht nur besser, sondern auch günstiger zu machen.

Die Spitallandschaft umbauen

In der Pandemie geben die Spital-Kapazitäten den Takt vor. Dabei geht vergessen, dass die kleine Schweiz in Zukunft eine andere Spitallandschaft braucht: Zentrale Kliniken mit den Spezialistinnen und Spezialisten sowie kleinere Gesundheits-Zentren für die Grundversorgung und die Geriatrie.

Hoffnung für die Tarif-Reform

Seit fast 20 Jahren sollte der Tarmed überarbeitet werden. Dieser Tarif regelt, was Ärztinnen und Ärzte mit eigener Praxis verdienen. Dieser entspricht aber nicht mehr der Realität.

Eine Gruppe um den Krankenkassenverband curafutura und der Ärzteschaft FMH haben den neuen Tarif TarDoc geschaffen und ihn überarbeitet Ende 2021 eingereicht. Das hat auch der Verband Santésuisse mit seinem Projekt gemacht, das auf ambulanten Pauschalen basiert.

Aus diesen zwei Projekten möchte Gesundheitsminister Alain Berset ein einziges, mehrheitsfähiges machen. Alle Beteiligten haben versprochen, das bis Ende 2021 zu tun. Immerhin haben Gespräche stattgefunden, sodass dieses Reform-Vorhaben 2022 an Schwung gewinnen könnte.

Durchblick bei der Finanzierung?

Neben Fragen zum Tarif sind solche zur Finanzierung offen: Heute zahlen die Krankenkassen die ambulanten Behandlungen, bei Behandlungen im Spital mit Übernachtung (stationär) übernehmen die Kantone rund die Hälfte der Kosten.

Seit einem Jahrzehnt liegt die Idee im Parlament, beide Bereiche gleich zu finanzieren. Mit diesem Reform-Projekt könnten Fehlanreize verschwinden und die Versorgung besser werden. Inzwischen geniesst das Projekt Akzeptanz. Sogar die Kantone wollen mitmachen, wenn auch die Langzeitpflege – also die Pflege im Alter – einbezogen wird. Im Januar geht die Diskussion im Parlament weiter.

Die Pflege im Alter sichern

Ohnehin wird das Thema der Pflege im Alter unterschätzt. Mit der älter werdenden Gesellschaft wird dieser Bereich wichtiger. Heute bezahlen die einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen, die Krankenkasse und der Kanton die Kosten für diese Langzeit-Pflege und -Betreuung. Braucht es auch hier andere Versorgungsstrukturen und andere Mittel? Ideen wie eine Pflege-Versicherung oder das Sparen sind da – die Lösungen noch nicht.

Die Kosten bremsen

Während einer Gesundheitskrise kommt es schlecht an, über Kosten und hohe Prämien zu sprechen. Doch zwei Volksinitiativen liegen bereit und die Vorschläge eines Experten-Gremiums sind im politischen Prozess. Das erste Massnahmen-Paket hat das Parlament arg zerzaust – zum Ärger von Gesundheitsminister Berset. Das zweite kommt 2022.

Christine Wanner

Bundeshausredaktorin

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Christine Wanner ist seit 2022 Bundeshausredaktorin. Zuvor hat sie als Inlandredaktorin für Radio SRF gearbeitet. Sie hat an der Universität Bern Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte sowie Medienwissenschaften studiert. Wanner hat sich insbesondere mit dem gesellschaftlichen Umgang mit Risiken und Gefahren beschäftigt – beispielsweise in der Atomfrage und beim Umgang mit Naturkatastrophen.

Hier finden Sie weitere Artikel von Christine Wanner und Informationen zu ihrer Person.

Echo der Zeit, 30.12.21, 18:00 Uhr

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