Bulle FR boomt. Der Hauptort des Greyerzerlands platzt aus allen Nähten. Allein seit der Jahrtausendwende ist die Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner von knapp 15'000 auf über 27'000 gewachsen.
Und Bulle wächst weiter. Die Luxusuhrenmarke Rolex baut eine neue Fabrik; es sollen 2000 Arbeitsplätze entstehen. Gut möglich also, dass Bulle in ein paar Jahren Freiburg als grösste Stadt des Kantons überholt.
«Ich erkenne die Stadt nicht wieder», sagt eine junge Verkäuferin, die in Bulle aufgewachsen ist. «Die Leute kennen sich nicht mehr.» Es sei zwar gut, dass sich die Stadt entwickelt habe, aber es sei alles zu schnell gegangen: «Man sollte dabei die Wurzeln nicht vergessen.»
Das macht mir Angst.
Eine Verkäuferin in einer Konfiserie berichtet von weniger Kundschaft, obwohl nun mehr Leute in der Stadt wohnen. Und jetzt die vielen Bagger, die am Stadtrand eine riesige Baugrube ausheben für die neue Rolex-Fabrik, die nochmals 2000 Arbeitsplätze bietet: «Das macht mir Angst», so die Verkäuferin.
Angst vor noch mehr Baustellen, Angst vor noch mehr Verkehr, Angst vor noch mehr Leuten, die nach Bulle ziehen. Kurz, sie wünscht sich weniger Wachstum.
Ein ganz anderer Blick auf das Wachstum bietet sich vom Jericho-Hügel aus. Das sei das «Beverly Hills» von Bulle, sagt Jean-Bernard Droux. Der Immobilienmakler kennt die neuen Quartiere in Bulle so gut wie kaum jemand.
Wohnungsnot scheint gross zu sein
Trotz der vielen Neubauten: In Bulle eine Wohnung zu finden, sei fast so schwierig wie in den grossen Schweizer Städten. Seine Firma verwalte rund 4500 Wohnungen, davon sei keine einzige frei, sagt Jean-Bernard Droux.
Die Nachfrage nach Wohnungen sei da und es gebe noch Bauland. Deshalb ist es für den Immobilienmakler nur richtig, wenn weitergebaut wird. Das Wachstum Bulles sei für ihn eine «Erfolgsgeschichte».
Angefangen hat der Aufschwung von Bulle in den frühen 80er-Jahren. Mit der Eröffnung der Autobahn A12 war Bulle plötzlich nur noch eine halbe Stunde von Freiburg oder der Waadtländer Riviera entfernt. Zudem lockte das viele günstige Bauland mehrere grosse Unternehmen an, wie beispielsweise den Industriekonzern Liebherr, der gar seinen Hauptsitz nach Bulle verlegte.
Mit den neuen Fabriken und den günstigen Wohnungen kamen auch die Menschen. Auch aus dem Ausland: Heute liegt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund bei 40 Prozent. Für den Stadtpräsidenten Jacques Morand kein Grund zur Beunruhigung: «Die Regierung hat viel Geld und Energie in die Integration der Neuzuzüger gesteckt.»
Mehr Menschen bedeuten mehr Infrastruktur und mehr Schulhäuser
Die grösste Herausforderung sieht Morand darin, dass es genügend Primarschulen für all die neuen Kinder hat. Zwei neue Schulhäuser habe Bulle bereits geplant und 70 Millionen Franken dafür budgetiert. Das entspricht ungefähr der Hälfte der jährlichen Steuereinnahmen der Stadt.
Laut den Wachstumsprognosen könnte Bulle bis im Jahr 2040 etwa 40'000 Einwohnerinnen und Einwohner haben. «Das ist enorm und macht uns Sorgen», sagt der Stadtpräsident. Vor allem wegen der zusätzlich benötigten Infrastruktur.
Mit 40'000 Menschen würde Bulle Freiburg als grösste Stadt im Kanton überholen. Das heisse aber nicht, dass Bulle neue Kantonshauptstadt werden wolle, sagt der Stadtpräsident Jacques Morand: «Das ist nicht unser Ziel. Freiburg ist die Kantonshauptstadt und wird es auch bleiben.» Trotz Boom in Bulle.