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Brandserie im Kanton Solothurn «Beim Täter lösen die Brände Nervenkitzel aus»

Bereits sieben Mal brannte es in den letzten Wochen im Solothurner Wasseramt. Gebrannt haben unter anderem eine Waldhütte, zwei Ställe und ein Schuppen. Bei den meisten Bränden ist bereits klar: Es war Brandstiftung. Für die Kantonspolizei Solothurn stehen die Brände in einem Zusammenhang, gesucht wird damit jemand, der die Brände gelegt haben könnte.

Thomas Knecht

Psychiater

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Thomas Knecht ist forensischer Psychiater. Er ist leitender Arzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie im Spital Herisau. Ausserdem ist Knecht Gefängnisarzt in der Strafanstalt Gmünden im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Zu seinen Aufgaben gehören psychiatrische Gutachten von Straftätern.

SRF News: Was kann man über den mutmasslichen Brandstifter im Solothurner Wasseramt sagen?

Der Brandstifter hat eine innere Motivation, um Feuer zu legen. Es geht ihm also nicht um Schadenersatz oder etwas, das rational zu erklären ist. Es geht ihm darum, etwas Bestimmtes zu erleben, weil ihm dies eine Form von Nervenkitzel gibt. Und dies schreit sozusagen nach Wiederholungen.

Bisher hat es in mehreren Gemeinden gebrannt, die nahe beisammen liegen. Bedeutet dies, dass der Brandstifter aus der Umgebung stammt?

Man darf dies als Hinweis nehmen, ja. Dies aus dem einfachen Grund, weil eine Person, die solche Brände legt, diese Brände auch erleben will. Die Person wird sich im Vorfeld ein Bild davon machen, ob das Objekt überhaupt geeignet ist für das Vorhaben. Dann müssen auch Beobachtungsmöglichkeiten gegeben sein. Am schönsten wäre es natürlich von Zuhause aus, aber so nah will die Person dann doch nicht sein, weil sie sonst Hinweise zu sich selbst geben könnte.

Bisher brannten meist kleinere, unbewohnte Objekte: eine Hornusserhütte, Waldhütten, eine Lagerhalle. Besteht die Gefahr, dass es dieser Person irgendwann nicht mehr reicht, kleinere Gebäude anzuzünden?

Ausschliessen kann man dies nicht. Es wäre jedoch nicht typisch. Die Objekte, die bisher gebrannt haben, waren in mehrfacher Hinsicht geeignet: sie brennen, sie stehen alleine und sie bergen keine übermässige Gefahr entdeckt zu werden. Jemand, der solche Brände legt, ist nicht ein Massenmörder. Es ist jemand, der eine Abwägung macht zwischen dem Erleben eines Lustgefühls; aber auch, dass nicht zu viel Schaden angerichtet wird.

Bis jetzt hat es immer am Wochenenden gebrannt. Hat das etwas zu bedeuten?

Ja. Bei gewissen Deliktarten ist das typisch, weil der Mensch dann keine Zeitstruktur hat, die ihn in Beschlag nimmt. Im Gegenteil: man hat Zeit, um sich mit seinen «Lastern» zu beschäftigen.

Heutzutage sind es meist junge Männer, die mit sich und dem Leben unzufrieden sind.

Es braucht ja auch eine gewisse Zeit, um so etwas vorzubereiten, auszulösen und die Löscharbeiten der Feuerwehr zu geniessen. Das ist für ihn ja eine Show, ein Ereignis und das braucht Zeit.

Sie sprechen von einem Mann als Brandstifter. Könnte es auch eine Brandstifterin sein?

Absolut sicher ist es nicht, dass es ein Mann ist. Aber die Erfahrung und die Statistik zielen in Richtung Mann. Es war nicht immer so. Früher waren es oft heimwehkranke Dienstmädchen, die solche Brände legten, damit sie wieder nach Hause konnten. Heute stellt man fest, dass es junge Männer sind, die mit sich und dem Leben unzufrieden sind und eine suchtartige Gewohnheit entwickeln. Dies, um irgendwo ein Gegengewicht und ein Ventil für ihren inneren Frust zu haben.

Das Gespräch führte Ralph Heiniger.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 10. Mai 22, 17:30 Uhr ; 

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