Die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz geht momentan zwar zurück. Dennoch machen die Behörden deutlich: Sie wollen keine Asylfälle übernehmen, für die rechtlich ein anderes Land zuständig wäre. Dies getreu der sogenannten Dublin-Regel. Diese besagt, dass jeweils der Staat zuständig ist, in dem ein Asylsuchender zuerst ein Gesuch gestellt hat.
Wird die Frist zur Überstellung an einen anderen Dublin-Staat nicht eingehalten, wird die Schweiz für das jeweilige Asylgesuch zuständig.
Allerdings, sagt Lukas Rieder vom Staatssekretariat für Migration, müsse die Rückführung in das betreffende Land normalerweise innerhalb von sechs Monaten passieren. «Wird diese Frist zur Überstellung an einen anderen Dublin-Staat, zum Beispiel Italien oder Frankreich, nicht eingehalten, wird die Schweiz für das jeweilige Asylgesuch zuständig.» Die Schweiz muss dann selbst ein nationales Verfahren durchführen. «Es führt also zu einem Mehraufwand für die Schweiz, wenn die Kantone ihre Aufgaben beim Vollzug vernachlässigen.»
Sanktionen gegen Kantone
Das neue Asylgesetz gibt dem Bund denn auch die Kompetenz, Sanktionen gegen Kantone zu erlassen, wenn diese Dublin-Fälle nicht zurückschaffen. Davon hat der Bund jetzt erstmals Gebrauch gemacht.
In 167 Fällen hat er die Kosten für ein Asylverfahren einem Kanton überwälzt. Ein solches Verfahren kostet jeweils rund 20'000 Franken. Besonders häufig hat es den Kanton Waadt getroffen, nämlich bei 93 Fällen. In Neuenburg waren es 29 Fälle, in Genf 21. Der Bund ist also vor allem mit dem Vollzug in den Westschweizer Kantonen unzufrieden.
Druck erhöht
Rieder betont, der Bund bestrafe keinen Kanton, wenn dieser gute Gründe habe, auf eine Dublin-Rückschaffung zu verzichten: «Wenn es etwa medizinische Gründe gibt, eine Person zum Beispiel in Quarantäne ist, kann die Frist häufig nicht eingehalten werden.» Ein anderes Beispiel sei eine Haftstrafe, die der Asylsuchende absitzen müsse. «Dann können die Kantone nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Person nicht aus der Schweiz weggewiesen werden kann.»
In Fällen jedoch, in denen der Bund keinen Grund dafür sieht, von einer Rückschaffung abzusehen, erhöht er jetzt den Druck.
«Hände gebunden»
Allerdings fühlt man sich im Kanton Waadt von den Bundesbehörden ungerecht behandelt. Zwar gibt es aus Lausanne noch keine offizielle Stellungnahme. Aber bereits Ende Juni hatte die Waadtländer Regierung festgehalten, dass ihr bei Rückschaffungen häufig die Hände gebunden seien.
So gebe es ein kantonales Gesetz, das Rückschaffungen verbiete, wenn eine betroffene Person ein Gesuch auf Nothilfe gestellt habe. Gleichzeitig lassen die Waadtländer Behörden durchblicken, dass es wegen einer Gesetzesanpassung nächstes Jahr mehr Dublin-Rückschaffungen geben könnte.