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Walter Thurnherr: «Das waren die schwierigsten Jahre seit langem»
Aus Tagesgespräch vom 20.09.2023. Bild: SRF
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Bundeskanzler im Tagesgespräch «Schweiz ist sich der Abhängigkeit vom Ausland bewusst geworden»

Er zählt zu den einflussreichsten politischen Persönlichkeiten der Schweiz. Nun tritt Bundeskanzler Walter Thurnherr nach achtjähriger Amtszeit zurück. Über seine Erlebnisse, Erfahrungen und die Anforderungen des hohen Amts berichtet er im ersten Interview nach seiner Rücktrittsankündigung Mitte August – und auch darüber, warum er jetzt genug hat.  

Walter Thurnherr

Walter Thurnherr

Bundeskanzler

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Bundeskanzler Walter Thurnherr ist seit dem 1. Januar 2016 der Stabschef des Bundesrates. Er unterstützt die Bundespräsidentin oder den Bundespräsidenten und das Bundesratskollegium bei der Wahrnehmung ihrer Regierungsobliegenheiten. Er nimmt zusammen mit den beiden Vizekanzlern an den wöchentlichen Sitzungen des Bundesrates teil. Er hat dabei beratende Funktion und kann Anträge stellen.

SRF News: Was hat Sie bewogen, als Bundeskanzler zurückzutreten?

Walter Thurnherr: Es ist wichtig zu gehen, solange man den Anforderungen gewachsen ist. Die vergangenen vier Jahre waren intensiv, wahrscheinlich die anspruchsvollsten seit langem. Die Pandemie hat viele Tote gefordert. Noch nie zuvor haben wir in so kurzer Zeit so viel Geld ausgegeben. Noch nie wurde über einen so langen Zeitraum so häufig auf das Notrecht zurückgegriffen. Noch nie gab es so viele Sitzungen. Noch nie gab es so viele Sessionen. Alles in allem war es eine aussergewöhnliche Legislaturperiode, jetzt habe ich genug.

Wie würden Sie das Amt des Bundeskanzlers in der Schweiz beschreiben?

Der Bundeskanzler hat laut dem Gesetz eine beratende Funktion. Ich nehme an den Sitzungen des Bundesrates teil und habe die Möglichkeit, Anträge zu stellen. Verschiedene Gesetze und Dossiers fallen in die Zuständigkeit der Bundeskanzlei. Einladungen zu Ausschüssen, wie beispielsweise dem Europaausschuss oder auch dem Digitalisierungsausschuss, gehören ebenso zu meinem Aufgabenbereich wie die Beratung des Bundesrates bei schwierigen Dossiers. Es ist ein breites Spektrum an Aufgaben, die meine Mitarbeitenden in der Bundeskanzlei und ich zu bewältigen haben.

Haben die von Ihnen erwähnten Krisen den Job des Bundeskanzlers verändert?

Ich würde sagen, Ja. Der Job ist viel digitalisierter geworden. Wir haben ein Drittel mehr Mitarbeitende in der Bundeskanzlei. Es gibt erheblich mehr Koordinationsaufgaben als früher. Insgesamt würde ich sagen: Der Job ist schneller und intensiver geworden.

Bis anhin beobachtete die Schweiz, wie das Treibholz den Fluss hinuntertrieb, und nahm das Aufstauen des Wassers von aussen wahr.
Autor: Walther Thurnherr Bundeskanzler

Wie hat sich die Schweiz während der Krisenjahre verändert?

Die Schweiz ist sich ihrer Abhängigkeit vom Ausland bewusst geworden. Stellen wir uns die sogenannten «aussenpolitischen Angelegenheiten» als eine Art Treibholz vor: Bis anhin beobachtete die Schweiz, wie das Treibholz den Fluss hinuntertrieb, und nahm das Aufstauen des Wassers von aussen wahr.

Walter Thurnherr.
Legende: Blick zurück: Bundeskanzler Walter Thurnherr an der Frühlingssession am 13. März 2023 in Bern. Keystone/Peter Schneider

Es war unvorstellbar, dass das Wasser bis zu dem Punkt ansteigen würde, wo man selbst steht. Das hat sich geändert. Die Corona-Pandemie, die Energiemangellage, die Medikamentenknappheit und der Krieg in der Ukraine haben uns gezeigt, dass wir nicht nur als Beobachterin im aussenpolitischen Geschehen agieren können. Wir sind ein Teil des Ganzen.

Ich würde auch sagen, dass die Sicherheit einen höheren Stellenwert hat als noch vor vier Jahren. Wir sind uns bewusst, wie fragil alles ist und wie schnell wir uns in einem Ausnahmezustand wiederfinden.

Was planen Sie nach Ihrem Rücktritt?

Was ich sagen kann: Für eine Sportkarriere bin ich zu alt (lacht). Konkreter sind meine Pläne zurzeit noch nicht. Ich habe verschiedene Angebote auf dem Tisch, aber ich habe mich noch nicht entschieden. Vielleicht schreibe ich ein Buch. Als Physiker interessiert mich die Schnittstelle zwischen der Wissenschaft und der Verwaltung. Die Einbindung der Wissenschaft in die politische Entscheidungsfindung ist spannend und eigentlich ein Buch wert.

Das Gespräch führte David Karasek.

Tagesgespräch, 20.09.2023, 13:00 Uhr;

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