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Nach acht Jahren im Amt Thurnherr tritt nach «schlimmster Legislatur» zurück

  • Bundeskanzler Walter Thurnherr (Mitte) will Ende Jahr nicht mehr zur Wiederwahl antreten.
  • Der 60-Jährige hat seit acht Jahren das Amt als Bundeskanzler inne. Als solcher führt er die Geschäfte des Bundesrates. Der Bundeskanzler wird auch als «achter Bundesrat» bezeichnet.
  • Thurnherrs Nachfolge wird am 13. Dezember bei der Gesamterneuerungswahl des Bundesrats bestimmt.

Laut Thurnherr hat seine Rücktrittsankündigung nichts mit der Ambiance im Bundesrat zu tun. «Die Stimmung ist sehr gut.» Er bezeichnete die laufende Legislatur jedoch als «schlimmste seit dem Zweiten Weltkrieg».

Eine Krise habe die nächste gejagt, sagte Thurnherr vor den Medien in Bern. Er hob die «sehr dramatische Pandemiephase» hervor, und auch die CS-Notübernahme sei nicht spurlos am Land vorbeigezogen.

Lob an den Bundesrat

Der Bundesrat sei all diese Krisen «sehr konstruktiv und positiv» angegangen. Das sei auch ein Grund dafür, dass es der Schweiz im Vergleich mit anderen Ländern sehr gut gehe. «Wir haben praktisch keine Inflation, eine tiefe Arbeitslosigkeit, günstige Studienmöglichkeiten und ein gutes Gesundheitswesen», betonte Thurnherr.

Mann.
Legende: Bundeskanzler Walter Thurnherr (Mitte) erklärte vor den Medien in Bern seinen Rücktritt. Keystone/Anthony Anex

Anders als vor 34 Jahren bei seinem Eintritt in die Bundesverwaltung sei der Spirit im Land, so der scheidende Bundeskanzler. Die Aufbruchstimmung sei von einer fatalistischen Stimmung abgelöst worden. Viele hätten sich damit abgefunden, dass die Situation nicht besser werde, sondern schlechter.

Seit 1997 in Bern

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  • 1997 ernannte ihn Flavio Cotti, der damalige Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), zu seinem persönlichen Mitarbeiter.
  • 1999 wurde er stellvertretender Chef, 2000 Chef der Politischen Abteilung VI des EDA.
  • 2002 übernahm Walter Thurnherr das Amt als Generalsekretär des EDA.
  • Von 2003 bis 2010 übte er die gleiche Funktion aus im Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD), dem heutigen WBF.
  • Von 2011 bis 2015 war er Generalsekretär des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek).
  • 2015 wurde Thurnherr zum Bundeskanzler gewählt.

In der Öffentlichkeit schuf sich Walter Thurnherr vor allem mit ausgefeilten, rhetorisch guten Reden einen Namen. Sachpolitisch beschäftigte er sich in den vergangenen Jahren unter anderem mit der Aufarbeitung der Coronakrise, der Digitalisierung der Bundesverwaltung und mit dem Dossier der elektronischen Stimmabgabe.

Nachfolge wird im Dezember geregelt

Thurnherrs Nachfolge wird am 13. Dezember geregelt – am gleichen Tag wie die Gesamterneuerungswahl des Bundesrats. Dann wird auch der Nachfolger oder die Nachfolgerin von SP-Bundesrat Alain Berset bestimmt, der im Juni seinen Rücktritt angekündigt hat . Für Walter Thurnherr spielt die Parteizugehörigkeit seiner Nachfolgerin oder seines Nachfolgers keine Rolle, wie er am Nachmittag vor den Medien erklärte.

Der 60-Jährige hat noch keine Pläne geschmiedet, was nach seiner Zeit in der Verwaltung kommen wird. «Ich habe keine Ahnung, was ich tun werde.» Für ihn gebe es aber auch Dinge neben der Politik, die ihn interessierten.

Thurnherrs Rücktritt verspricht spannende Bundesratswahlen

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Mit dem Rücktritt von Bundeskanzler Walter Thurnherr werden die Karten für die Bundesratswahlen im Dezember neu gemischt. So könnte beispielsweise das Bundeskanzleramt den Grünen von den anderen Parteien als «Trostpflaster» für ihre Forderung nach einer Regierungsbeteiligung schmackhaft gemacht werden.

Für Politologe Michael Hermann könnte der Rücktritt Thurnherrs den Handlungsspielraum der Parteien bei den Bundesratswahlen erweitern. Grundsätzlich sei die Parteizugehörigkeit eines Bundeskanzlers nicht so wichtig – ausser die Partei sei nicht im Bundesrat vertreten, sagte der Politologe der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Dann biete die Position die Möglichkeit, trotzdem über einen Zugang zu den Regierungsgeschäften und zur Dynamik im Bundesrat zu verfügen.

Von den grossen Parteien hat bisher nur die SVP Stellung bezogen: Sie erhebt Anspruch auf den Sitz. Die SVP als grösste Partei der Schweiz habe noch nie den Bundeskanzler gestellt, schrieb Fraktionschef Thomas Aeschi auf dem Kurznachrichtendienst X. Die SP, die Grünen, die GLP, die FDP und die Mitte lassen sich noch nicht in die Karten blicken. Es sei noch zu früh, um über die Nachfolge zu diskutieren, gaben mehrere Parteien auf Anfrage bekannt.

Tagesschau, 16.8.2023, 12:45 Uhr ; 

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