Der Mittwoch war kein guter Tag für Ignazio Cassis. Zuerst musste er in einer beklemmenden Pressekonferenz den Abgang seiner Spitzendiplomatin verkünden. Nur wenige Stunden später enthüllt die «Rundschau», dass der eritreische Aussenminister mehrere Tage in der Schweiz auf Propagandatour war, Cassis aber kurzfristig keine Zeit für ein Treffen mit ihm fand. Dies obwohl die Schweiz wegen der Rücknahme von Flüchtlingen dringenden Redebedarf mit dem nordostafrikanischen Staat hat.
Nun kann man es Zufall nennen, dass an einem Tag gleich zwei unschöne Ereignisse rund um den Aussenminister und dessen Departement publik werden. Aber wenn sich solche häufen, kann es eben auch mal sein, dass diese auf den gleichen Tag fallen.
Berset zitierte ihn zu einem Gespräch
Noch ist kein Monat vergangen, dass Cassis sich zum umstrittenen Sponsoring eines Tabakkonzerns für den Schweizer Auftritt an der EXPO 2020 in Dubai erklären musste. Unter Druck der Medien blieb ihm nichts anderes übrig, als die bereits ausgehandelte Vereinbarung zu sistieren.
Anfangs Jahr liess er sich bei einem Besuch einer in der Kritik stehenden Mine von Glencore in Sambia vom Grosskonzern einspannen und verbreitete unkritische Tweets. Unbedacht wirkten auch Cassis’ kritischen Äusserungen über das UNO-Flüchtlingshilfswerk der Palästinenser UNRWA, worauf ihn der damalige Bundespräsident Berset zum Gespräch zitierte, um die Haltung des Gesamtbundesrats in der Nahost-Frage klarzustellen. Monate später wurden tatsächlich Missstände im Hilfswerk publik, dennoch wirkten Cassis Aussagen diplomatisch ungeschickt.
Cassis hat auch schon geliefert
Es sind einige Ausrutscher auf dem roten Teppich der Diplomatie, die sich Cassis in nur eineinhalb Jahren leistete.
Aber Cassis hat im Amt auch schon geliefert. Er hat das heikle EU-Dossier deblockiert, so dass innerhalb eines Jahres ein Vertragstext ausgehandelt werden konnte. In diesem Jahr hat er sich auch vehement und erfolgreich für den Erhalt und die Förderung des «Internationalen Genfs» eingesetzt. Und schliesslich hat er mit der «AVIS28» erstmals eine aussenpolitische Vision der Schweiz für die nächsten zehn Jahre in einem Papier festgehalten.
Ein Verwalter – kein Gestalter
Aber das reicht nicht um den Verdacht loszuwerden, dass Cassis bisher nur wenig Freude und Leidenschaft für die Aussenpolitik entwickelt hat. Innenpolitik scheint ihm mehr zuzusagen. Entsprechend rümpfen immer mehr Diplomaten im EDA die Nase über Cassis Credo «Aussenpolitik ist Innenpolitik». Hinter vorgehaltener Hand klagen sie es fehle ihm an diplomatischem Gespür und Kreativität. Cassis sei ein Verwalter und kein Gestalter. Zu Reisen und Treffen mit Aussenministern anderer Länder müsse man ihn überreden. Zu wichtigen Konferenzen wie dem Asien-Europa-Treffen Asem schickte er seine Staatsekretärin.
Auf die Kritik angesprochen hat Cassis am Mittwoch gesagt, er sei über Nacht vom Arzt zum Diplomaten geworden. Nach eineinhalb Jahren im Amt scheint er immer noch nicht angekommen zu sein in der der weiten Welt der internationalen Diplomatie.