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Bundesrat lockert massiv Das Ende von Corona ist der Anfang der Ungleichheiten

Ja, es ist ein Freudentag. Optimistisch wie schon lange nicht mehr präsentierte Alain Berset heute einen ganzen Strauss an Lockerungen. Offene Gaststuben ab Montag, Privatpartys mit bis zu 30 Personen in den eigenen vier Wänden, und ab 20. August sollen gar wieder Grossveranstaltungen mit 10’000 Personen stattfinden. Mit jedem Tag und jeder stechenden Impfnadel rückten wir dem Ende der Corona-Pandemie näher, so Berset.

Staat zieht sich zurück

Sollte nicht noch eine impfresistente Virusvariante die Vorfreude durchkreuzen, ist ein normales Leben ohne Gesundheitskrise ab Herbst wieder denkbar. Spätestens wenn alle die wollen in der Schweiz vollständig geimpft sind, wird der Bundesrat die «Normalisierungsphase» einläuten und sämtliche Corona-Regeln fallen lassen. So verspricht es Alain Berset – wobei sich Regeln wie die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr wohl noch etwas länger halten dürften. «Jeder von uns wird auf die eine oder andere Art mit dem Virus in Berührung kommen – ob über die Impfung oder eine Ansteckung», mahnt Berset heute und deutet an, dass die Regierung ihre Pflicht zum Schutz der Bevölkerung bald erledigt hat.

Der Staat – der heute mit Pandemie-Regeln das Leben von allen mehr oder weniger stark auf den Kopf stellt – wird sich zurückziehen. Wer sich nicht impfen lassen will, wird wieder auf sich alleine gestellt sein. Den Impfkritikern wirds recht sein. Sie wollen vor allem die unliebsamen Corona-Massnahmen loswerden und zurück zur Eigenverantwortung.

Ungleichheiten nehmen zu

Bis es so weit ist, stehen aber ein paar Monate vor uns, in denen Ungleichheiten nicht zu vermeiden sind. Wer sich nicht impfen lassen will, muss sich eine dicke Haut zulegen – nicht nur gegen Anfeindungen beim Tischgespräch.

So hat der Bundesrat heute angekündigt, dass Geimpfte und Genesene nicht mehr in Quarantäne müssen, wenn sie engen Kontakt mit einem Covid-Kranken hatten oder aus einem Land mit erhöhtem Ansteckungsrisiko in die Schweiz zurückkehren (mit Ausnahme von Ländern mit besorgniserregenden Corona-Varianten). Für Ungeimpfte bleibt die Quarantäne-Pflicht. Eine ähnliche Ungleichheit gilt bereits in den Altersheimen: Wer geimpft oder genesen ist, kann sich im Heim ohne Maske bewegen – für Ungeimpfte hingegen gilt weiterhin Maskenpflicht.

Sorglosigkeit versus Testen

Während bei Geimpften die Corona-Sorgen nach und nach verfliegen, müssen sich die anderen nun an wöchentliche Tests gewöhnen – sei es am Arbeitsplatz, zuhause oder beim Arzt. Wenn in knapp zwei Wochen das Covid-Zertifikat eingeführt wird, wird die Testerei für sie noch zunehmen: Um in ein Konzert oder Fussballspiel reinzukommen, wird ein frischer Test nötig sein – während Geimpfte oder Genesene für mindestens 6 Monate ein Covid-Zertifikat erhalten. Bis die Corona-Einschränkungen für alle aufgehoben werden, sollten sich Impf-Skeptiker also warm anziehen. Bis die Corona-Zeit endgültig hinter uns liegt, gilt es noch die eine oder andere Ungleichheit auszuhalten.

André Ruch

Bundeshaus-Redaktor, SRF

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Reporter André Ruch arbeitet seit 2008 für verschiedene SRF-Sendungen. Etwa als Redaktor und Produzent bei der Gesundheitssendung «Puls», als Reporter bei «10vor10» und seit 2018 als Bundeshaus-Redaktor in Bern.

SRF 1, 26.5.21, 13:45 Uhr

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