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Bundesrat zu Lockerungen Herr Berset, warum verlieren Sie so kurz vor dem Ziel die Geduld?

Endlich ein Stückchen Freiheit zurück – oder der Sprung ins Ungewisse? Der Bundesrat setzt trotz heikler epidemiologischer Lage auf Lockerungen. Ab Montag sind Veranstaltungen mit Publikum im Aussen- und Innenbereich wieder möglich, auch die Restaurant-Terrassen dürfen wieder Gäste empfangen. Diese Schritte erfolgten wohlüberlegt, betont Gesundheitsminister Alain Berset im Interview.

Alain Berset

Bundespräsident

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Alain Berset ist seit 2012 Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI). Für das Jahr 2023 ist Berset zudem Bundespräsident. Er wurde 1972 geboren, studierte an der Universität Neuenburg Politik- und Wirtschaftswissenschaften, die er 2005 mit dem Doktorat abschloss. Der Sozialdemokrat war für den Kanton Freiburg im Ständerat und übte dort 2008 und 2009 das Amt des Ständeratspräsidenten aus. Neben seinem politischen Mandat präsidierte Berset den Westschweizer Mieterinnen- und Mieterverband und die Schweizerische Vereinigung zur Förderung der AOC/IGP.

Ende 2023 wird Alain Berset nicht mehr als Bundesrat kandidieren.

SRF News: Herr Bundesrat, Sie öffnen trotz steigender Fallzahlen und obwohl selbst Ihre Experten warnen. Hatten Sie Angst, dass die Leute die Geduld verlieren?

Alain Berset: Wir müssen wirklich einen Weg aus der Krise finden. Wir sehen, dass die Zahlen steigen, doch sie sind unter Kontrolle und explodieren nicht. Aber man muss sagen, es ist ein kalkuliertes Risiko. Es kann nur funktionieren, wenn die Leute weiterhin sehr gut mitmachen, indem sie die Massnahmen umsetzen. Es muss möglich sein, diesen Schritt zu tun – wenn wir wirklich aufpassen.

Sie sagen selber, Lockerungen bergen immer auch ein Risiko. Nimmt der Bundesrat also mehr Infektionen und auch Tote in Kauf?

Seit Februar/März haben wir eine neue Situation. Einerseits durch viel mehr Test-Möglichkeiten, aber auch parallel dazu durch die Impfungen. Ende dieses Monats werden alle vulnerablen Personen eine erste Impfdosis erhalten haben, einen Monat später sind sie voll geschützt, sofern sie das wollen. Diese Situation erlaubt uns, Lockerungen vorzunehmen trotz steigender Fallzahlen. Es ist jedoch eine grosse Verantwortung, für alle Menschen in unserem Land. Wer Fitnesscenter, Restaurants oder Kultureinrichtungen betreibt, muss nun alles dafür tun, dass die Schutzkonzepte streng umgesetzt werden – sonst haben wir ein Problem.

Wenn dieser Schritt als Signal interpretiert wird, alles lockerer anzugehen, dann wird es eine Katastrophe geben.

Dennoch: Die Schweiz lockert Massnahmen, während Deutschland über Ausgangssperren diskutiert bei wesentlich tieferen Zahlen. Senden Sie hier nicht das falsche Signal?

Noch einmal: Wir suchen einen Weg aus der Krise. Der Bundesrat hat immer gesagt, wo es vertretbar ist, wollen wir auch einige Risiken eingehen können. Zum Beispiel haben wir uns die Lage nach der Wiedereröffnung der Läden am 1. März angeschaut. Es gab keine Explosion, die Schutzkonzepte wurden gut umgesetzt. Auch über Ostern scheint es gut gegangen zu sein. Das zeigt uns: Wenn wir uns verantwortungsvoll benehmen und aufpassen, dann kann es gehen. Aber klar, wenn dieser Schritt als Signal interpretiert wird, alles lockerer anzugehen, dann wird es eine Katastrophe geben. Wir sind wirklich auf die Unterstützung und das Mitmachen der Gesamtbevölkerung angewiesen, die es bisher sehr gut gemacht hat. Dies erlaubt uns, diesen Schritt nun zu tun.

In zwei oder drei Monaten wäre wohl die Hälfte der Bevölkerung geimpft. Dann liegen Öffnungen drin, wie etwa das Beispiel Israel zeigt. Warum verlieren Sie so kurz vor der Ziellinie die Geduld?

Der heutige Schritt ist ein vorsichtiger in Richtung Lockerung, das ist uns allen klar. Doch wir wissen, dass wir in den nächsten Wochen sehr viele, wirksamste MRNA-Impfdosen erhalten. Da sind wir sehr gut positioniert und dies erlaubt uns, ein gewisses Vertrauen in die Zukunft zu haben.

Die Kantone müssen wirklich gut vorbereitet sein, denn die grossen Impf-Mengen kommen jetzt.

Sie versprechen ja gerne, bis Ende Juli seien alle geimpft. Der oberste Kantonsarzt sagt, es werde Herbst. Machen Sie der Bevölkerung nicht falsche Hoffnungen?

Wir haben immer gesagt, bis Mitte/Ende Juni haben wir eine erste Dosis für alle, die das wollen – die zweite Impfdosis dann im Juli. Das ist, was wir versprechen können aufgrund der Lieferungen, die wir erwarten. Dann braucht es aber eine grosse Arbeit seitens der Kantone, um verimpfen zu können. Sie müssen wirklich gut vorbereitet sein, denn die grossen Impf-Mengen kommen jetzt. Aber ich denke, die Kantone sind bereit und es gibt Grund zur Hoffnung, dass es gut bis Ende Juni funktionieren kann.

Sie können also versprechen, dass alle ab August geimpft sind und so auch in die Ferien verreisen können, wenn sie das wollen?

Ich glaube, dass wir genügend Mengen haben werden, damit alle, die das wollen, bis im Sommer Zugang zu den Impfungen gehabt haben.

Das Gespräch führte Nicole Frank.

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Rundschau, 14.04.2020 ; 

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