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Bundesratswahlen 2022 Bundesrat werden ist schwer – Bundesrat sein noch viel mehr

Um Bundesrätin oder Bundesrat zu werden, müssen viele Faktoren stimmen. Fast noch wichtiger als die Person sind Timing, Konstellation und Umstände. Bundesrat werden ist schwer – ist man einmal im Amt, wird's noch schwieriger.

Bundesratswahlen, wie die Schweiz sie kennt, sind ein politisches Ritual, das weltweit einzigartig ist. In dieses Siebnergremium gewählt zu werden, gehört für viele Politikerinnen und Politiker zum Höhepunkt ihrer Karriere. Viele arbeiten denn auch jahrelang auf dieses Ziel hin. Nur – es gibt keine Erfolgsgarantie, denn sehr viele, ja mitunter zu viele, Kriterien müssen erfüllt sein.

Wie wird man Bundesrat? Eine einfache Antwort gibt es nicht

Auf die Frage, wie man Bundesrat oder Bundesrätin wird, gibt es deshalb keine einfache und vor allem keine kurze Antwort. Es müsse sehr viel zusammenkommen, um in die Landesregierung gewählt zu werden, meint Politologe Georg Lutz. Man müsse in der richtigen Partei sein, aus dem richtigen Landesteil kommen, das richtige Geschlecht haben sowie nicht zu jung, aber auch nicht zu alt sein.

Es braucht auch etwas Glück, damit in einer Politikkarriere zum richtigen Zeitpunkt alles zusammenpasst.
Autor: Georg Lutz Politikwissenschaftler

Deshalb sei eine Bundesratskarriere nur bedingt planbar. Man könne aber gute Voraussetzungen schaffen, meint Bundesratskenner Lutz. Etwas vom Wichtigsten sei mittlerweile, dass man Mitglied von National- oder Ständerat sei oder zumindest gewesen sei. Die Mitglieder der Bundesversammlung wählten gerne Leute, die man kenne, denen man vertrauen könne.

Medientauglich, kompromissbereit, eigenständig

Immer mehr Bedeutung habe auch, dass man mediengewandt sei. Parteien würden mittlerweile auch sogenannte «Roadshows» durchführen. Dabei tingeln die Kandidaten und Kandidatinnen durchs Land und präsentieren sich dem Volk, obwohl Bundesratswahlen keine Volkswahlen sind. Bundesratskandidatinnen und -kandidaten müssten Teamplayer sein, ist Lutz überzeugt.

Die sechs Bundesratstypen

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Im Buch «Der Bundesrat» kategorisiert Politologe Adrian Vatter Bundesräte in sechs Typen:

  • Regenten
  • Populäre
  • Intellektuelle
  • Verwalter
  • Konkordanzpolitiker
  • Bürdenträger

Der Professor für Schweizer Politik an der Universität Bern legt Wert darauf, dass es sich bei diesen Typologien um Vereinfachungen handelt. Nicht alle Bundesräte liessen sich einem Idealtyp zuordnen.

Allerdings sollten die Kandidierenden auch eine gewisse Eigenständigkeit besitzen, denn die Bundesversammlung will keine Parteisoldaten zum Bundesrat küren. Von selbst verstehe sich, dass Kandidatinnen und Kandidaten keine Leichen im Keller haben dürften. Findungskommissionen der Parteien durchleuchteten deshalb im Vorfeld die Personen, so Lutz.

SVP Kandidat Albert Rösti und Herausforderer Hans-Ueli Vogt beim Hand-Shake vor einer Schweizerfahne
Legende: Sie treten um die Nachfolge von SVP-Bundesrat Ueli Maurer an: Auf dem Ticket stehen der Berner Albert Rösti und der Züricher Hans-Ueli Vogt. Keystone

Ist die Zeit der Überraschungen bei Bundesratswahlen vorbei?

Die Bundesversammlung ist absolut frei in ihrer Wahl. Jede stimmberechtigte Schweizerin und jeder stimmberechtigte Schweizer ist als Bundesrätin oder Bundesrat wählbar. Man muss weder einem Parlament noch einer Partei angehören.

In den letzten Jahren hat es sich aber eingebürgert, dass die Parteien der Bundesversammlung eine Auswahl präsentieren, in der Regel in Form eines Zweiervorschlags. Dies ist auch dieses Mal der Fall. Die SVP tritt mit einem Männerticket (Albert Rösti, Hans-Ueli Vogt) an, die SP mit einem Frauenticket (Eva Herzog, Elisabeth Baume-Schneider).

Alle Kandidaten seien parteiübergreifend wählbar, damit steige der Druck auf die Bundesversammlung, sich daranzuhalten, meint Lutz. Komme hinzu, dass die SVP seit der Abwahl von Christoph Blocher vor 15 Jahren nicht-offizielle Kandidierende bei einer allfälligen Wahl automatisch aus der Partei ausschliesst. Deshalb sei die Chance auf eine Überraschungswahl deutlich kleiner geworden.

Die Gelegenheit, Bundesrat zu werden, ist wie eine Sonnenfinsternis. Alles, wirklich alles muss stimmen – das Timing, die Konstellation, das Momentum.
Autor: NZZ, 18.11.2022

Allerdings funktionieren Bundesratswahlen nach einer eigenen Dynamik. Auch, wenn die Parteien ihren Fraktionen mehr oder weniger verbindliche Wahlempfehlungen durchgeben, entscheidet in der geheimen Wahl jeder Parlamentarier und jede Parlamentarierin selbst, wem er oder sie letztendlich die Stimme gibt.

Dabei spielen auch eigene taktische Überlegungen sowie Sympathien eine nicht unwesentliche Rolle. Am Ende kann eine einzelne Stimme entscheidend sein. Die NZZ hat es unlängst treffend formuliert: «Die Gelegenheit, Bundesrat zu werden, ist wie eine Sonnenfinsternis. Sie kommt im Leben vielleicht einmal vor, und alles, wirklich alles muss stimmen - das Timing, die Konstellation, das Momentum.»

Die SP Bundesratskandidatinnen Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider am runden Tisch während eines Hearings.
Legende: Sie wollen den Sitz der abtretenden SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga: Eva Herzog und Elisabeth Baume-Schneider. Keystone

Ist man Bundesrat, geht's erst richtig los

Zwischen Bundesratswahl und Amtsantritt bleiben meist nur wenige Wochen. So werden die Nachfolger für die beiden Zurücktretenden, Simonetta Sommaruga (SP) und Ueli Maurer (SVP), am 7. Dezember gewählt. Bereits etwas mehr als drei Wochen später, am 1. Januar, treten sie ihr Amt an.

Im sogenannten «Aide-Memoire» für Bundesräte steht nur knapp, dass die Bundeskanzlei das neue Mitglied der Landesregierung nach dessen Wahl in organisatorischen Belangen zur Vorbereitung des Amtsantritts unterstützt. Tatsächlich beginnt dieses «Briefing» bereits viel früher, wie Bundesratssprecher und Vizekanzler André Simonazzi erklärt.

Sobald die offiziellen Kandidatinnen und Kandidaten bestimmt seien, nehme die Bundeskanzlei Kontakt mit ihnen auf. Dabei würden die Bundesratsanwärterinnen und -anwärter etwa auf den Umgang mit Medien sensibilisiert, auch werde unter anderem abgeklärt, inwieweit Familienmitglieder von der Öffentlichkeit abgeschirmt würden.

Nach Annahme der Wahl ist man auf einen Schlag Bundesrätin oder Bundesrat
Autor: André Simonazzi Bundesratssprecher

Nach der Wahl gibt es bereits am Folgetag wieder ein Treffen mit den neuen Bundesratsmitgliedern und Vertretern der Bundeskanzlei. Es müsse nun alles schnell gehen, sagt Simonazzi: «Denn nach Annahme der Wahl ist man auf einen Schlag Bundesrätin oder Bundesrat.»

Die neuen Mitglieder der Landesregierung erhalten ein eigenes Büro, ihnen wird erklärt, wie die wöchentlichen Bundesratssitzungen ablaufen. Sie müssten sich schnellstmöglich in die teils komplexen Dossiers einarbeiten. Dabei wissen sie erst nach der Wahl bei ihrer ersten Bundesratssitzung, welches Departement sie erhalten.

Die sieben Bundesrätinnen und Bundesräte heben die Hand zum Schwur vor der vereinigten Bundesversammlung.
Legende: Die sieben aktuellen Bundesrätinnen und Bundesräte bei der Vereidigung im Nationalratssaal nach den Gesamterneuerungswahlen 2019. Keystone

Eine eigentliche Einführung gibt es für neue Bundesräte nicht. Die Amtsübergabe muss reichen. Deshalb heisst es für die neuen Bundesratsmitglieder: Dossiers büffeln. Hier ist es von enormem Vorteil, wenn man zuvor bereits im National- oder Ständerat war. So kennt man die meisten Geschäfte bereits und weiss über den weiteren Verlauf Bescheid.

Bundesrat ist mehr als eine Arbeit – Bundesrat ist eine Funktion

Die Bundeskanzlei macht die neuen Bundesrätinnen und Bundesräte auch darauf aufmerksam, dass man 24 Stunden am Tag im Amt ist. Bundesrat sei keine gewöhnliche Arbeit, Bundesrat sei eine Funktion. Man müsse Lust haben, sich Tag und Nacht für das Gemeinwohl einzusetzen, sagt Simonazzi – und diese Lust hätten die Bundesräte, sonst würden sie in diesem Amt nicht überleben.

Die Departementsverteilung

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Die Zuteilung der Departemente ist Sache des Gesamtbundesrates. Dieser trifft sich nach den Wahlen erstmals in neuer Konstellation zu einer ausserordentlichen Sitzung. Es ist die einzige Sitzung, an welcher weder Bundeskanzler noch Vizekanzler anwesend sind.

Die Amtsältesten sind gegenüber den Neugewählten im Vorteil, weil sie ihre Wünsche zuerst anbringen können. Das heisst aber nicht, dass man frei wählen kann, welches Departement man gerne hätte. Am Schluss entscheidet der Gesamtbundesrat.

12-Stunden-Tage und eine 7-Tage-Woche sind für Bundesräte der Normalfall. Zudem finden viele Anlässe an Wochenenden statt, wo ebenfalls die Präsenz von Bundesräten gefragt ist. Gemäss Insidern sind zwei freie Abende in einer Woche eher die Ausnahme als die Regel. Am ehesten eigne sich der Mittwochabend dafür, nach den Bundesratssitzungen.

Auch Politologe Georg Lutz spricht von einer extremen Arbeitsbelastung. Man verzichte auf einen grossen Teil des Privatlebens und auch der Privatsphäre. Im Gegenzug sei es der wohl spannendste Job in der Schweizer Politik. Man sitze im Zentrum des Informationsflusses, habe eine grosse Verwaltung hinter sich. Wenn man das geschickt nutze und gute Koalitionen bilde, dann sei der Gestaltungsspielraum sehr gross.

Kaum Privatleben, dafür viel Prestige

Komme hinzu, dass man ordentlich verdiene, so Politologe Lutz – das Bruttojahreseinkommen beträgt 456‘854 Franken (Stand: 1. Januar 2022). Viel wichtiger als das Materielle sei aber das Ansehen. Bundesräte seien im Gegensatz zu anderen Politikern im Volk beliebt und erführen grosse Anerkennung.

Dass der Job Bundesrat beliebt ist, zeigt sich bei jeder Bundesratswahl wieder. Es gab bisher noch nie einen Mangel an Interessenten. Auch, wenn allen klar ist: Am Schluss kann pro frei werdendem Sitz nur eine oder einer gewinnen.

Echo der Zeit, 27.11.2022, 18 Uhr

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