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Die Lehren von damals Wieso eine Abwahl aus dem Bundesrat heute als Tabu gilt

Abwahlen von Bundesräten gab es erst wenige in der Geschichte. Die letzten beiden waren so prägend, dass heute grösste Zurückhaltung gilt.

Mitte-Präsident Gerhard Pfister sagte es diesen Herbst immer wieder: Wenn es nach ihm gehe, soll man amtierende Bundesräte, die gerne weiter im Amt bleiben wollen, nicht abwählen. Das sei für die Konkordanz und die Stabilität nicht gut. Ähnlich wie er dürften es auch andere sehen – geprägt von den Ereignissen von 2003 und 2007.

SVP erstarkt – Metzler abgewählt

In den 1990er-Jahren legte die SVP stark an Wähleranteilen zu, während die CVP (die heutige Mitte) an Wählern und Wählerinnen verlor. Zudem habe die SVP in den 1990er-Jahren immer mehr Oppositionspolitik betrieben, sagt Isabelle Stadelmann, Politologin der Universität Bern. «Sie hat damals vermehrt Referenden ergriffen. Irgendwann kamen die anderen Parteien zum Schluss, dass die SVP mehr eingebunden werden muss.»

Die damaligen CVP-Bundesräte Ruth Metzler (links) und Joseph Deiss
Legende: Die damaligen CVP-Bundesräte Ruth Metzler (links) und Joseph Deiss traten 2003 zur Wiederwahl an. Nicht beide schafften es. Keystone/Markus Stücklin

2003 gewann die SVP noch einmal und wollte einen zweiten Sitz im Bundesrat. Obwohl die CVP dies wusste, liess sie ihre beiden Bundesräte – Ruth Metzler und Joseph Deiss – noch einmal antreten. Metzler wurde daraufhin abgewählt.

Blochers Abwahl sorgt für heftige Turbulenzen

Anstelle von Metzler wurde Christoph Blocher von der SVP in den Bundesrat gewählt. Nur vier Jahre später kam aber seine Abwahl. Zwar gestanden die anderen Parteien der SVP durchaus zwei Sitze zu, aber immer mehr Parlamentarierinnen und Parlamentarier kamen zum Schluss, dass dies nicht in der Person von Blocher sein soll.

Blochers Abwahl kam für ihn und seine Partei überraschend. So sagte er anschliessend: «Ich verspüre Empörung. Weniger, weil sie einen anderen Bundesrat gewählt haben, sondern wie sie es getan haben.»

An seiner Stelle wurde die damalige Bündner SVP-Regierungsrätin Eveline Widmer-Schlumpf gewählt. Dies führte später zur Abspaltung der BDP.

Wenn es bei einer Abwahl Leute gibt, die im Saal jubeln, ist das auch ein Affront gegenüber der Institution Bundesrat.
Autor: Ruth Humbel alt Nationalrätin der Mitte-Partei

Eine, die beide Abwahlen miterlebt hat, ist alt Nationalrätin Ruth Humbel (Mitte). Sie habe nie einen amtierenden Bundesrat abgewählt. «Wenn es dann Leute gibt, die im Saal jubeln, ist das auch ein Affront gegenüber der Institution Bundesrat. Ich finde das Machtspiel dahinter unwürdig. Das passt nicht zu unserer Konkordanz und Demokratie.»

Dass diese beiden Abwahlen noch immer nachwirken, sieht auch die Politologin Stadelmann: «Für den allgemeinen Frieden ist es nicht gut, wenn man Leute abwählt.» Da gehe es weniger um die Zusammenarbeit im Bundesrat selber als viel mehr um die Parteien: «Die ganze Phase hat für Unruhe und Instabilität gesorgt.» Eigentlich nimmt die Bundesversammlung dann Anpassungen vor, wenn es Vakanzen gibt. Dies gelte umso mehr seit diesen beiden Abwahlen.

Angriff auf die Zauberformel?

Was es bereits vorher und auch nachher wieder gab, war Druck auf die Bundesräte und Bundesrätinnen, zurückzutreten. So wurde beispielsweise Elisabeth Kopp vorgeworfen, sie habe ihren Mann mit Interna versorgt. Daraufhin ist sie nach grossem öffentlichem Druck zurückgetreten. Sie hat immer betont, dass sie weder rechtlich noch moralisch eine Schuld treffe. Später wurde sie vom Bundesgericht vom Vorwurf der Amtsgeheimnisverletzung freigesprochen.

Für dieses Jahr stellen sich sechs bisherige Bundesräte zur Wiederwahl, der Sitz von Alain Berset wird neu besetzt. Ob die Zauberformel – zwei SVP, zwei SP, zwei FDP und einmal Mitte – auch noch danach gilt und ob es keine Abwahl gibt, zeigt sich am 13. Dezember.

Rendez-vous, 30.11.2023, 12:30 Uhr

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