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Bundesratswahlen Das sind die Stärken und Schwächen der Kandidierenden

Nun gilt es ernst: Das Parlament wählt zwei neue Bundesratsmitglieder. Geeignet für den Bundesrat sind alle vier Kandidatinnen und Kandidaten. Doch womit können sie punkten und welche Schwächen stehen ihnen im Weg? Ein Überblick.

Albert Rösti: beliebt, aber umstrittene Energiepolitik

Albert Rösti gilt als konziliant. Hier ist er im Gespräch mit SP-Nationalrat Jon Pult.
Legende: Albert Rösti gilt als konziliant. Hier ist er im Gespräch mit SP-Nationalrat Jon Pult. KEYSTONE/Gian Ehrenzeller

Das spricht für ihn: Albert Rösti ist beliebt im Parlament. Seit elf Jahren sitzt er im Nationalrat und ist bestens vernetzt. Auch von politischen Gegnern wird er als freundlich und umgänglich beschrieben, er polarisiert deutlich weniger als andere aus der SVP. Er hört dem politischen Gegenüber zu und bekennt sich zur Kollegialität. Rösti werden gute Dossierkenntnisse attestiert, unter anderem in Umwelt, Gesundheit und Wissenschaft. Er präsidiert zurzeit die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats.

Das spricht gegen ihn: Aus linksgrüner Sicht ist es ein Problem, dass ein Atomkraft-Befürworter und Lobbyist für Erdöl und Autos das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) übernehmen könnte. Rösti war Präsident der Brennstoffhändler und von Auto Schweiz. Albert Rösti gehört zu den Parlamentariern mit den meisten Mandaten und Interessenbindungen. Da stellt sich die Frage, wie unabhängig er nach einer Wahl ist. Auch wenn er die Mandate abgeben muss, bleiben die Kontakte.

Hans-Ueli Vogt: wie der Phönix aus der Asche?

Hans-Ueli Vogt spricht FDP-Nationalrat Damien Cottier vor dem Bundesratszimmer.
Legende: Hans-Ueli Vogt spricht mit FDP-Nationalrat Damien Cottier vor dem Bundesratszimmer. KEYSTONE/Alessandro della Valle

Das spricht für ihn: Hans-Ueli Vogt ist unabhängig. Als Befürworter der Ehe für alle zeigte er, dass er auch gegen die Parteilinie politisieren kann. Zudem könnte er als homosexueller und urbaner SVP-Mann gerade für die linksgrüne Ratsseite eine gute Wahl sein, um wenigstens teilweise ihre eigenen Interessen zu unterstützen. Die Grünen und die SP wollen auch verhindern, dass Rösti das Umweltdepartement bekommt. Vogt gilt als blitzgescheit, guter Analytiker und hervorragender Rechtsgelehrter.

Das spricht gegen ihn: Rückendeckung hat er wenig in der eigenen Fraktion, Vogt passt nicht ins Bild der konservativen SVP-Basis. Allgemein ist er schlecht vernetzt im Parlament. Im Nationalrat war er ein Einzelgänger und arbeitete einzig in der Rechtskommission. Das Parlament wählt gerne jemanden, den man kennt. Als Handicap gilt auch, dass Hans-Ueli Vogt aus dem Nationalrat zurücktrat, weil er sich in diesem Gremium nicht wohlfühlte.

Eva Herzog: eine Schafferin mit Ecken und Kanten

Eva Herzog, kurze, rote Haare, Brille, mit einem Mikrofon in der Hand. Sie sieht konzentriert aus und spricht.
Legende: Eva Herzog gilt als Topfavoritin für die Sommaruga-Nachfolge. KEYSTONE/Jean-Christophe Bott

Das spricht für sie: Eva Herzog ist Deutschschweizerin, für viele im Parlament eine zwingende Eigenschaft für die Nachfolge von Simonetta Sommaruga. Sie vertritt die urbane Schweiz, auch das ist wohl ein Vorteil für die Wahl in den heute eher ländlich geprägten Bundesrat. Herzog gilt als dossierfest und führungsstark, sie vertritt ihre Positionen unabhängig von der Parteimeinung. Das macht sie bei den bürgerlichen Parteien gut wählbar.

Das spricht gegen sie: Ein Teil der SP-Spitze nimmt es ihr übel, dass sie bei der OECD-Steuerreform und früher als Regierungsrätin bei der Unternehmenssteuer-Reform gegen die Parteiinteressen gestimmt hat. Eva Herzog gilt als kühle Analytikerin und ist weder eine gute Smalltalkerin, noch wird sie von allen geliebt. Kurz: Sie hat Ecken und Kanten. Deshalb könnten einige Parlamentarierinnen und Parlamentarier befürchten, keinen einfachen Zugang zu ihr als Bundesrätin zu finden.

Elisabeth Baume-Schneider: Macht sie die Bauernlobby zur Königin?

Elisabeth Baume-Schneider will als erste Jurassierin Bundesrätin werden. Im Hintergrund Parteikollegin Samira Marti.
Legende: Elisabeth Baume-Schneider will als erste Jurassierin Bundesrätin werden. Ihre Chancen wurden auch schon schlechter eingeschätzt. Im Hintergrund Parteikollegin Samira Marti. KEYSTONE/Peter Klaunzer

Das spricht für sie: Elisabeth Baume-Schneider ist im Berner Jura auf einem Bauernhof aufgewachsen, darum versteht sie sich gut mit Bäuerinnen und Bauern – und diese Lobby sollte man nicht unterschätzen. Zudem spricht sie gut Schweizerdeutsch. Sie gilt als herzlich, freundlich und unkompliziert und ist innerhalb und ausserhalb des Parlaments bei fast allen beliebt. Sie war 13 Jahre lang Erziehungsdirektorin im Jura mit einem guten Leistungsausweis. Bürgerliche könnten zudem einen Vorteil darin sehen, wenn die SP nächstes Jahr mit zwei Welschen im Bundesrat auf Wahlkampagne geht.

Das spricht gegen sie: Mit Elisabeth Baume-Schneider wäre die lateinische Schweiz im Bundesrat übervertreten. Die FDP hat dazu bereits grundsätzliche Bedenken geäussert. Ihre ersten Schritte in der Politik machte sie zudem im Umfeld der marxistischen Liga, einer kommunistischen Partei in der Schweiz. Deshalb ist sie für viele Bürgerliche nur schwer wählbar. Viele wünschen sich auch, dass die urbane Schweiz wieder stärker vertreten ist im Bundesrat – da wäre Baume-Schneider nicht die richtige Wahl.

Echo der Zeit, 04.12.2022, 18:00 Uhr

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