Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts verhandelt ab heute den Fall der sogenannten Messerstecherin von Lugano. Im November 2020 hat die psychisch kranke Frau in Lugano im Warenhaus Manor mit einem Brotmesser auf zwei Passantinnen eingestochen. Dabei rief die Täterin Allahu Akbar. Daraufhin wurde sie vom Bundesstrafgericht wegen versuchten Mordes und Widerhandlung gegen das Al-Kaida-Gesetz zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. SRF-Gerichtskorrespondentin Sibilla Bondolfi ordnet den neuerlichen Prozess ein.
SRF News: Wieso geht der Fall in Berufung?
Sibilla Bondolfi: Offenbar ist die Bundesanwaltschaft mit dem Strafmass von neun Jahren unzufrieden. Sie forderte beim ersten Prozess 14 Jahre, deshalb hat sie das Urteil an die Berufungskammer weitergezogen. Welches Strafmass die Bundesanwaltschaft dieses Mal verlangt, sagt sie dann erst an der mündlichen Verhandlung.
Nach der Bundesanwaltschaft hat auch der Anwalt der Beschuldigten Berufung eingelegt. Was verlangt er?
Die erste Verurteilung wird der Anwalt nicht grundsätzlich infrage stellen. Die Verhandlung wird er aber vor allem dazu nutzen, um die Haftbedingungen der Mandantin zu kritisieren. Diese sind seiner Meinung nach unmenschlich. Die Frau sitzt derzeit 23 Stunden am Tag allein in einer Zelle und hat noch keine richtige Therapie beginnen können, obschon sie unbestritten psychisch krank sei. Das hat er mir am Telefon erzählt.
Für solche Taten sind gerade psychisch angeschlagene Personen anfällig.
Sie haben diesen Fall verfolgt. Was macht ihn besonders interessant?
Er ist ein Beispiel des sogenannten Low Cost Terrorismus. Es scheint heute zu reichen, wenn der islamische Staat Propaganda macht und irgendwelche Leute auf der Welt mobilisiert, die dann Anschläge verüben. Diese Personen müssen nicht einmal zwingend zu einer Terrorgruppe gehören.
In der Schweiz gab es bislang nur zwei dschihadistisch motivierte Anschläge. Beides waren Fälle von «Low Cost Terrorismus». Für solche Taten sind gerade psychisch angeschlagene Personen anfällig. Sie werden durch die Propaganda quasi inspiriert, das zeigt dieser Fall der Messerstecherin von Lugano auf.
Das Gespräch führte Monika Glauser.