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Bundesverwaltungsgericht SEM darf Asylsuchenden vorerst nicht nach Kroatien zurückschicken

  • Im Fall eines Afghanen hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass das Staatssekretariat für Migration (SEM) die Asylpraxis von Kroatien nicht ausreichend ausgeleuchtet hat.
  • Der Mann wurde an der Grenze von Kroatien 16 Mal von kroatischen Polizisten nach Bosnien zurückgetrieben.
  • Gegen die Rückweisung nach Kroatien hatte sich der Afghane mit zwei Beschwerden beim Bundesverwaltungsgericht gewehrt.
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Aus dem Archiv: «Rundschau» dokumentiert die illegalen Pushbacks
Aus Rundschau vom 05.01.2022.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 12 Sekunden.

Der Betroffene hatte im Mai 2021 in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Die Auswertung seiner Fingerabdrücke ergab, dass er im Februar 2017 bereits ein Gesuch in Griechenland gestellt hatte.

Gegenüber dem Staatssekretariat für Migration (SEM) erklärte der Afghane, er habe Griechenland ein Jahr nach der Abweisung seines dortigen Asylgesuchs verlassen. Danach habe er sich rund elf Monate in Bosnien aufgehalten. Von dort aus habe er zahlreiche Male versucht, nach Kroatien einzureisen.

Zwei Beschwerden eingereicht

Das SEM entschied im Oktober vergangenen Jahres, den Mann nach Kroatien zurückzuschicken. Dagegen wehrte sich dieser: Im letzten November hiess das Bundesverwaltungsgericht die erste Beschwerde des Asylbewerbers gut – der vorangegangene Entscheid des SEM wurde aufgehoben.

Das SEM sollte die Zuständigkeit Kroatiens für die Behandlung eines Asylgesuchs des Mannes genauer prüfen und ebenso eine allfällige Unzulässigkeit der Wegweisung dorthin. Im Dezember entschied das SEM erneut, den Mann wegzuweisen.

In einem am Freitag veröffentlichten Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht den Entscheid nun ein weiteres Mal aufgehoben. Es ist der Ansicht, dass die von der kroatischen Polizei an der Grenze praktizierten Wegweisungen – sogenannte Pushbacks – nach wie vor nicht ausreichend geklärt seien. Zahlreiche Betroffene hätten von den Rückführungen berichtet, ohne die Möglichkeit erhalten zu haben, ein Asylgesuch zu stellen. Und immer wieder sei Gewalt durch die Polizei erwähnt worden.

Der Beschwerdeführer habe glaubwürdig dargelegt, wie er mit Fäusten und Schlagstöcken geschlagen, gefoltert und gefangen gehalten worden zu sei. Unter diesen Umständen könne sich das SEM nicht auf alte Berichte stützen und zum Schluss kommen, es gäbe kein systemisches Versagen im kroatischen Asyl- und Aufnahmeverfahren.

Muss Kroatien den Antrag prüfen?

Das Gericht ist zudem der Ansicht, die Zuständigkeit Kroatiens sei nicht eindeutig. Die Dublin-III-Verordnung sehe vor, dass die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zwölf Monate nach dem ersten irregulären Grenzübertritt ende.

Vorliegend habe der Beschwerdeführer ausgesagt, er habe Griechenland im Juni 2020 verlassen und etwa am 5. oder 6. August 2020 das erste Mal versucht, in Kroatien einzureisen. Das SEM habe das Übernahmegesuch am 27. Juli 2021 bei den kroatischen Behörden gestellt, also wenige Tage vor Ablauf der zwölfmonatigen Frist.

Gericht hat Chronologie rekonstruiert

Weil der Beschwerdeführer Analphabet ist und an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet, schliesst das Bundesverwaltungsgericht nicht aus, dass sich der Mann bei den Daten vertan hat. Es hat die Chronologie seines Weges rekonstruiert und errechnet, dass der erste Versuch in Kroatien einzureisen etwa am 11. März 2020 stattgefunden haben könnte.

Das SEM muss sich nun nochmals eingehend mit der Frage befassen, ob Kroatien wirklich zuständig für die Behandlung des Asylgesuchs des Afghanen ist und ob die Wegweisung dorthin unzulässig ist – wegen den dort praktizierten Pushbacks.

Rundschau, 05.01.2022, 20:05 Uhr;

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