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Pushbacks in Kroatien Gefesselt in Fluss geworfen: Bericht zeigt Gewalt an EU-Grenze

Ein Bericht des Europarats dokumentiert Gewalt an der kroatischen Grenze. Kroatiens Regierung versuchte monatelang, die brisante Veröffentlichung zu verhindern.

Recherchen der «Rundschau» haben mehrfach brutale und illegale Pushbacks durch maskierte Sondereinheiten an der kroatischen Grenze aufgezeigt. Die kroatische Regierung versuchte bisher fast immer, diese Belege als Falschmeldungen abzutun.

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Archiv: EU-Geld fliesst für kroatische Schlägerpolizisten
Aus Rundschau vom 06.10.2021.
abspielen. Laufzeit 14 Minuten 46 Sekunden.

Nun bestätigt ein Bericht des Antifolterkomitees des Europarats die Missstände. Kriminalistische und medizinische Experten haben im Sommer 2020 bei einer Ad-hoc-Inspektion in Kroatien «schwere Misshandlungen» dokumentiert. Der heute veröffentlichte Bericht macht ein System der Gewalt und der Verschleierung öffentlich.

Geheimes Notizbuch

Auf einer Polizeiwache entdeckten die Inspektoren des Antifolterkomitees ein Notizbuch, in dem kompromittierende Aktionen festgehalten waren – ausserhalb des Computersystems der Polizei. 2373 Migranten, so ist darin zu lesen, waren von den kroatischen Grenzpolizisten allein im Zeitraum zwischen dem 25. Juli  und dem 12. August «abgefangen» oder nach Bosnien «umgeleitet» worden.

Gemäss Computer waren allerdings im selben Zeitraum nur zehn ausländische Staatsbürger festgenommen worden. Als die Polizisten erkannten, was die Inspekteure im geheimen Notizheft entdeckt hatten, versuchten sie, es ihnen «gewaltsam abzunehmen», so der Bericht.

Im Bericht werden gefährliche Erniedrigungen durch Beamte geschildert: Aufgegriffene Flüchtlinge wurden mit gefesselten Händen in den Grenzfluss Korana geworfen, Beamte schossen knapp an Geflüchteten vorbei, Festgenommene wurden mit Stöcken verprügelt, getreten.

Sie wurden bei Transporten gefesselt und so zusammengepfercht, dass es bei der Fahrt zu weiteren Verletzungen kam. Forensische Mediziner des Antifolterkomitees dokumentierten zahlreiche Verletzungen und beurteilen die Wunden als passend zu den Schilderungen von Polizeigewalt. Die Experten schreiben von «zahlreichen» und «glaubwürdigen» Schilderungen durch Geflüchtete.

Ein Mann zeigt seine Wunden an seinem entblössten Rücken.
Legende: Migranten wurden an der EU-Aussengrenze unter anderem mit Stöcken verprügelt und getreten. SRF

Im Rapport wird festgehalten, dass Kroatien über kein System zur Kontrolle und Bekämpfung von Polizeigewalt gegen Flüchtende verfügt. Mehr noch: Bei Bekanntwerden von Missständen wurden gar keine oder ungenügende Ermittlungen eingeleitet.

Kroatien wertet Bericht herab

Das Ganze habe System, berichtete ein ehemaliger kroatischer Polizist der «Rundschau» und ihren Recherchepartnern «Lighthouse Reports», «Spiegel» und ARD. Man habe ihm verboten, offizielle Rapporte über die Festsetzung von Migranten anzufertigen.» «Jedes Mal, wenn ich das machen wollte, wurde mein Chef sehr wütend», sagt der Ex-Polizist, der anonym bleiben möchte. Geheime Notizbücher mit Details zu den klandestinen Operationen gebe es jedoch in mehreren Polizeiwachen.

Ein weiterer Insider bestätigt, dass das Innenministerium täglich auf inoffiziellem Wege über die Pushbacks unterrichtet werde.

Bereits im November 2020 erhielt die kroatische Regierung den Bericht des Antifolterkomitees zur Stellungnahme. Daraufhin verweigerte die Regierung ihre Zustimmung zur Veröffentlichung. Diesen Sommer behauptete dann eine Staatssekretärin des kroatischen Innenministeriums in einem Schreiben an eine kroatische NGO, dass das Antifolterkomitee seine Kompetenzen überschritten habe und einfach die Äusserungen der Geflüchteten übernehme. Diese Darstellung des Berichts sei falsch, erklärt nun das Antifolterkomitee und entschied, den Bericht zu veröffentlichen – gegen den Widerstand der Regierung.

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SRF 4 News, 03.11.2021, 11:00 Uhr

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