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CO2-Gesetz abgelehnt Müssen Sie lauter werden, Herr Glättli?

Die Grünen waren in den letzten anderthalb Jahren ziemlich erfolgsverwöhnt. Am Sonntag aber mussten sie mit der Ablehnung des CO2-Gesetzes, das sie mitunterstützt hatten, eine grosse Niederlage einstecken. Grünen-Präsident Balthasar Glättli tröstet sich mit parlamentarischen Erfolgen im Nationalrat und erklärt, wie seine Partei trotz Kompromissen für die Klima-Jugend attraktiv bleiben will.

Balthasar Glättli

Präsident Grüne Schweiz

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Balthasar Glättli sitzt seit 2011 für den Kanton Zürich im Nationalrat. Im Juni 2020 übernahm er das Präsidium der Grünen von Regula Rytz. Vor seiner Wahl zum Grünen-Präsidenten war er während rund sieben Jahren Fraktionspräsident der Partei. Im Nationalrat gehört er der wichtigen Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) an.

SRF News: Bei der Ausarbeitung des CO2-Gesetzes hielten sich die Grünen mit extremen Forderungen zurück. Genützt hat das wenig...

Balthasar Glättli: Das ist sehr bedauerlich. Es war ein Kompromiss, bei dem wir uns sehr zurückgehalten haben, damit auch eine breite Abstützung vorhanden ist. Mit der parlamentarischen Initiative von Bastien Girod am Mittwoch haben wir nun zumindest im Nationalrat ein Gesetz verabschiedet, welches die erneuerbaren Energien massiv ausbaut. Das macht die Niederlage vom Sonntag nicht besser, aber wir kommen trotzdem Schritt für Schritt weiter.

Wir sind nicht zufrieden mit den kleinen Schritten, aber kleine Schritte sind besser als gar nichts.

Bei der Initiative war schlussendlich sogar die SVP dafür. Auch das ist eine breit abgestützte konziliante Vorlage...

Im Umfang von drei AKW Erneuerbare zu bauen, ist nicht ohne. Das ist auch etwas, das ich immer vor den Wahlen sagte, als ich noch nicht Parteipräsident, sondern Kampagnenleiter war: Wählt Grün, dann werden auch die anderen Parteien grüner. Das ist ein Beweis dafür, dass diese These stimmt.

Gehen Sie mit den Kompromissen nicht das Risiko ein, dass Sie doppelt verlieren? Einerseits bei Abstimmungen wie am Sonntag, auf der anderen Seite, dass Sie Ihre eigene Basis wie die Klima-Jugend vergraulen?

Ja, darum haben wir auch immer aufgezeigt, dass wir mehr wollen. Es ist ja nicht so, dass wir nicht auch innerhalb dieser Vorlage immer wieder Minderheiten hatten, die wir schliesslich verloren haben. Zum Beispiel wollten wir den Finanzplatz stärker in die Verantwortung nehmen, was uns nicht gelungen ist.

Wir haben Jahre oder Monate verloren.

Ihr früherer Nationalratskollege, Jo Lang, hat getwittert: «Die CO2-Vorlage wurde ohne Klimabewegte ausgearbeitet, dadurch bekam sie einen Charakter, den die Buchhalter sehen, und nicht die Umweltgeister ansprach»...

Am Schluss sprach man über Rappen und nicht über Milliarden. Denn eigentlich geht es darum, unser Energiesystem und Transportsystem in ein postfossiles Zeitalter zu transformieren. Ohne Öl, Gas, Kohle, und Kerosin. Das sind riesige Investitionsentscheide, und darum finde ich es auch spannend, wie die Diskussion nun weiterläuft. Nun spricht man plötzlich davon, dass sich möglicherweise auch der Staat selbst stärker engagieren müsste. Das ist eine gute Richtung, welche diese Diskussion nimmt. Aber wir haben Jahre oder Monate verloren.

Einerseits möchten die Grünen weiterkommen, dafür muss man Kompromisse suchen. Andererseits will man die nächsten Wahlen wieder gewinnen. Müssen Sie lauter werden?

Wir müssen laut bleiben. Wir haben gesagt, dass wir bis 2030 klimaneutral sein wollen, bis 2040 sogar klimapositiv. Das ist eine viel ambitioniertere Politik. Und diese haben wir auch mit Vorstössen ins Parlament eingebracht. Wir sind nicht zufrieden mit den kleinen Schritten, aber kleine Schritte sind besser als gar nichts.

Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.

Tagesschau, 17.6.2021, 18:00 Uhr ; 

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