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Corona-Hotspot St. Petersburg Epidemiologe: «Die perfekte Ausgangslage für neue Varianten»

Am Freitag spielt die Schweizer Nationalmannschaft im russischen St. Petersburg, wo sich in den letzten Tagen Dutzende finnische Fans mit dem Coronavirus infiziert haben. Solche Anlässe in Ländern mit hoher Inzidenz seien nicht ideal, aber problematischer sei wegen neuer Varianten die grosse Durchmischung der Menschen, die jetzt in Europa hin- und herreisten, sagt der Epidemiologe Christian Althaus.

Christian Althaus

Epidemiologe

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Der Forscher Christian Althaus ist am Institut für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern tätig. Er ist Mitglied der Institutsleitung und leitet eine Forschungsgruppe für datenintensive und computergestützte Forschung zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten.

Althaus war bis Anfang Januar 2021 Mitglied der vom Bundesrat einberufenen wissenschaftlichen Covid-19 Taskforce.

SRF News: Feiernde Fussball-Fans in Stadien – wie bewerten Sie das als Epidemiologe?

Christian Althaus: Man hat jetzt gesehen, dass es zu Ansteckungen kommt. Es sind vielfach auch junge Menschen, die jetzt in Europa herumreisen und in den Stadien oder in Fan-Zonen wie in der Schweiz das Spiel schauen. Da kann es vermehrt Übertragungen geben. Damit musste man rechnen, wenn man die EM in diesen Sommer durchführt.

Kann die EM zu «Brandbeschleuniger» werden?

Nein, das würde ich so nicht sagen. In vielen Ländern ist die Anzahl der Neuinfektionen – die Inzidenz – zurzeit relativ tief. Da ist es vielleicht ein akzeptables Risiko. Es gibt aber Orte wie St. Petersburg, das jetzt auch Spiele austrägt, die in Irland geplant waren. Doch Irland garantierte der Uefa keine Spiele mit Fans.

Für problematischer als die Ansteckungen an sich halte ich die Durchmischung der Menschen, die in Europa hin- und herreisen.

In Russland und St. Petersburg ist die Zahl der Neuinfektionen ziemlich hoch. Ebenso der Anteil der Delta-Variante, die Belastung der Spitäler und die Zahl der Todesfälle. Das ist nicht ideal, aber damit musste man rechnen. Für problematischer als die Ansteckungen an sich halte ich die Durchmischung der Menschen, die jetzt in Europa hin- und herreisen und wieder in ihre Länder zurückkehren. Denn es zirkulieren sehr viele Virusvarianten. Jene, die man aus den Medien kennt, aber man erwartet auch neue Varianten im Sommer und Herbst. Das ist das perfekte Szenario, um neue Varianten erneut in vielen Ländern zu verteilen. Das macht mir dann schon etwas Sorgen.

Das ist das perfekte Szenario, um neue Varianten erneut in vielen Ländern zu verteilen.

Das eigentliche Problem ist also, dass die Spiele über ganz Europa verteilt ausgetragen werden?

Viele Studien zeigen, dass Reiseverkehr und Tourismus bei der Verbreitung des Coronavirus und der Einschleppung neuer Varianten eine grosse Rolle spielen. Das zeigte sich auch in der Schweiz im letzten Sommer, wo die Lage sehr gut unter Kontrolle war. Der damalige leichte Anstieg ist möglicherweise hauptsächlich durch Importe von infizierten Personen verursacht worden. Deshalb stellt die starke Mobilität ein Problem dar.

Nimmt der europäische Fussballverband seine Verantwortung genügend wahr?

Ich denke, die Uefa hat das mit den Regierungen abgesprochen, denn letztlich ist es in der Verantwortung der Länder und Städte. Das muss man so akzeptieren. Es gibt ja auch viele positive Aspekte und die Bevölkerung freut sich über die Spiele. Dass aber gerade in St. Petersburg Spiele mit Fans durchgeführt werden, wirkt in meinen Augen angesichts der ziemlich dramatischen Lage schon etwas zynisch. Dies auch wegen der weltweit nach wie vor riesigen Probleme mit der Pandemie.

Dass gerade St. Petersburg Spiele mit Fans durchführt, wirkt für mich schon etwas zynisch.

Könnte ein solches Turnier epidemiologisch sicher durchgeführt werden, ohne gleich alle Fans aus den Stadien zu verbannen?

Man muss damit rechnen, dass es teilweise zu Übertragungen kommt. Das muss nicht per se schlecht sein. Mit Zertifikaten und Tests kann man die Menschen einigermassen kontrolliert zusammenkommen lassen. Aber diese Menge an Leuten aus aller Welt schaffen die perfekte Ausgangslage für die Verbreitung neuer Varianten.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

Echo der Zeit, 29.06.2021, 18:00 Uhr ; 

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