Zum Inhalt springen

Corona-Lockdown im Tessin «Die Bilder aus Italien machen immer noch Angst»

Während sich die Deutschschweiz auf die ersten Lockerungsschritte aus dem Corona-Lockdown vorbereitet, stehen die Tessiner Behörden auf die Bremse. Sie wollen an den strikten Massnahmen eine Woche länger festhalten. Die Regierung halte eine langsamere Gangart auch wegen der Grenznähe für angebracht, sagt Tessin-Korrespondentin Karoline Thürkauf.

Karoline Thürkauf

Tessin-Korrespondentin

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Karoline Thürkauf ist SRF-Korrespondentin für den Kanton Tessin.

SRF News: Was will der Kanton Tessin im Unterschied zur Deutschschweiz anders machen?

Karoline Thürkauf: Die Tessiner Regierung will die Wirtschaft noch bis am 2. Mai ruhen lassen. So sollen etwa Coiffeurläden nicht wie in der Deutschschweiz bereits am kommenden Montag öffnen dürfen. Die Tessiner Wirtschaft wurde in den letzten Wochen aber viel stärker heruntergefahren als jene der Deutschschweiz. Dies hatte der Bundesrat dem Tessin mit den vorgängigen Krisenfenstern bewilligt.

Die Tessiner Wirtschaft wurde viel stärker heruntergefahren als jene der Deutschschweiz.
Autor: Karoline Thürkauf

Wie begründen die Tessiner Behörden diesen Schritt?

Würde der Bundesrat das nun verlangte neue Krisenfenster nicht bewilligen, würde die Tessiner Wirtschaft quasi Knall auf Fall am nächsten Montag hochgefahren. Also nicht langsam und schrittweise, was überall als sinnvoller Weg aus der Corona-Krise betrachtet wird.

Die Tessiner Regierung ist aber auch wegen der nach wie vor sehr angespannten Lage in der Lombardei für ein neues Krisenfenster. Die Bilder der überfüllten italienischen Spitäler machen immer noch Angst. Mit einer starken Öffnung kämen bald wieder Zehntausende Grenzgänger ins Tessin zum Arbeiten. Das will man verhindern.

Die Bilder der überfüllten italienischen Spitäler sitzen tief.
Autor: Karoline Thürkauf

In der Deutschschweiz macht die Wirtschaft Druck für eine raschere Öffnung. Wie ist das im Tessin?

Das ist sehr eindrücklich. Die Tessiner Wirtschaft steht grösstenteils hinter den Bestrebungen der Regierung, das Leben langsam und mithilfe eines neuen Krisenfensters hochzufahren. Lautstarke Öffnungsforderungen aus der Wirtschaft gibt es also nicht – am ehesten sind solche Stimmen noch aus der Gastronomie zu hören.

Ist die Tessiner Bevölkerung bereit, die strikten Massnahmen weiter zu ertragen?

Die Bevölkerung setzt bisher die Auflagen der Regierung sehr gut um. Tessinerinnen und Tessiner wollen keine schnelle Öffnung. Das zeigt jetzt auch der breite Widerstand gegen eine Schulöffnung. Die Welt hier im Tessin ist eine andere. Der Grossteil der Menschen trägt Masken, auch beim Waldspaziergang.

Der Grossteil der Tessiner Bevlölkerung trägt Masken, auch beim Waldspaziergang.
Autor: Karoline Thürkauf

Wird die Kantonsregierung vom Bundesrat die Erlaubnis erhalten, langsamer vorzugehen?

Es ist schwierig abzuschätzen, was der Bundesrat möglicherweise bereits schon heute entscheiden wird. Logischerweise sprechen zwei Gründe für die Akzeptanz der Tessiner Forderung: Das neue Krisenfenster ermöglicht ein langsames Hochfahren der Wirtschaft, wie das auch der Bundesrat anstrebt. Zudem betonten die Bundesräte Berset und Cassis in der letzten Zeit immer wieder, wie gut der Dialog zwischen Nord und Süd funktioniere. Dieses gute Einverständnis wird man jetzt wohl kaum wegen einer Woche Verlängerung trüben wollen.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

SRF 4 News, 22.04.2020, 10:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel