Zum Inhalt springen

Corona-Politik «Es gibt keine Anzeichen, dass ein Zertifikat notwendig wäre»

Vielbeachtet und kontrovers beim Start, vergessen und leise im Abgang: Der Bund nimmt Ende Monat das Covid-Zertifikat und die App ausser Betrieb. Dieser Schritt sei sinnvoll, sagt Epidemiologe Marcel Salathé.

Das Covid-Zertifikat war während der Corona-Pandemie ein Kristallisationspunkt in der Kontroverse um die Pandemie-Politik des Bundes. Dass es für gewisse Einrichtungen und Veranstaltungen im Inland obligatorisch war, wurde von Kritikerinnen und Kritikern als massiver Eingriff in die Privatsphäre betrachtet.

Geladen wurde das Zertifikat von Millionen von Menschen in der Schweiz auf die entsprechende App im Smartphone. Diese App und das ganze System mit den Covid-Zertifikaten wird jetzt per Ende August eingestellt, wie der Bundesrat entschieden hat.

Das  Covid-Zertifikat und die App.
Legende: Diese App wird es bald nicht mehr brauchen: Ende Monat nimmt der Bund das Covid-Zertifikat und die App ausser Betrieb. Keystone/ Martial Trezzini

Die Zertifikate, die bei vielen Userinnen und Usern noch auf der App schlummern, können zwar theoretisch noch gezeigt und verifiziert werden, aber zurzeit gibt es nur noch ganz wenige Länder, die auf einem solchen Nachweis im Reiseverkehr bestehen. Die Schweiz macht den Schritt der Einstellung der App nicht im Alleingang, sondern passt sich der Europäischen Union (EU) an.

Keine Anzeichen, dass es Zertifikat noch braucht

Dass die epidemiologische Lage schnell ändern kann und das manchmal zur Überraschung selbst der Expertinnen und Experten, gehört zu den Lehren aus der Corona-Zeit. Und doch hält der Bundesrat den «Rückbau» des ganzen Zertifikat-Systems offenbar für vertretbar.

Unterstützung erhält er von Marcel Salathé, jenem Epidemiologen, der in der Corona-Zeit früh und immer wieder zu den warnenden Stimmen gehörte und der auch an den Covid-Applikationen fürs Smartphone beteiligt war.

«Der Schritt des Bundesrats ergibt schon Sinn», findet der Lausanner ETH-Professor. «Das ist halt jetzt dieses ‹neue Normal›. Das Virus mutiert zwar ständig, aber es gibt im Moment keine Anzeichen darauf, dass ein Zertifikat weiter notwendig wäre.»

Nicht wieder bei null beginnen

In den letzten Wochen sorgte eine neue Variante des Corona-Virus namens Eris wieder für steigende Fallzahlen. Zudem machten die Forscherinnen und Forscher eine weitere Variante mit Namen BA2.86 ausfindig. Für die Fachleute steht fest, dass es neue Infektionswellen geben wird. Wie folgenreich diese ausfallen, ist offen.

Jedenfalls, so ist Salathé überzeugt, könnte man auf neue, gefährliche Wellen reagieren, obwohl jetzt das ganze System mit den Covid-Zertifikaten deaktiviert wird. Das technische Know-how dahinter sei ja deswegen nicht verloren. Im Fall einer starken Corona-Welle oder einer neuen, anderen Pandemie könnte man das System wieder hochfahren.

«Der Code ist da, das ist programmiert. Man muss das Rad nicht neu erfinden.» Auf Knopfdruck wäre das System zwar nicht wieder einsatzbereit, aber bestimmt einiges schneller als zu Beginn der Corona-Pandemie.

Tagesschau, 21.08.2023, 19:30 Uhr

Meistgelesene Artikel