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Über die Nase? – Covid-Impfung 2.0
Aus nano vom 25.08.2023.
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Mit Spray gegen Corona Impfen wir bei Covid-19 bald über die Nase?

Ein neuer Impfstoff, der bessere Immunität garantiert und einfach über die Nase verabreicht wird. Diese Vision verfolgen gleich zwei Schweizer Forschungsgruppen. Die Forschenden aus Bern publizieren nun neue Daten.

Ein kurzes Sprühen in die Nase und schon ist die Gefahr einer Infektion mit Covid-19 gebannt. So stellt sich Volker Thiel die Anwendung seines Covid-Impfstoffes künftig vor. Seit Beginn der Pandemie forscht er mit einem Team in verschiedenen Teilen der Schweiz und Deutschland an einer Impfung mit abgeschwächten Coronaviren: «Wir sind zuversichtlich, weil wir sehr gute präklinische Daten haben.»

Laut Thiel deuten diese Daten darauf hin, dass seine Impfung besseren Schutz vor Infektion und Krankheit biete, weniger Nebenwirkungen habe und einfacher anzuwenden sei als bisherige Covid-Impfstoffe. Nun wurden neuen Daten zu den Tierversuchen veröffentlicht.

Volker Thiel

Volker Thiel

Leiter Abteilung Virologie am Institut für Virologie und Immunologie (IVI) und Professor für Virologie an der Universität Bern

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Volker Thiel gilt als einer der führenden Coronaviren-Forscher und leitet die Abteilung Virologie am Institut für Virologie und Immunologie (IVI). Seit Jahren forscht Thiel an Coronaviren, zu denen auch die Erreger der gefährlichen Atemwegserkrankungen Sars und Mers gehören.

Seine Forschungsresultate haben jedoch ein grosses «Aber», denn bis Thiels Ziele Realität werden, ist es noch ein weiter Weg. Die Daten beruhen auf Tierversuchen und wurden noch nicht am Menschen bestätigt. Die Aussagekraft ist deshalb begrenzt. Zudem handelt es sich noch um ein Preprint, welches jetzt unabhängig überprüft werden muss.

Abgeschwächte Viren

Trotzdem sind seine Resultate spannend, denn Thiel arbeitet statt mit mRNA-Technologien mit dem klassischen Impfprinzip der abgeschwächten Viren. Es findet eine kurze Infektion statt, die rechtzeitig gestoppt wird.

Altes Prinzip – neue Methode

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Abgeschwächte Viren haben in der Impfstoffentwicklung lange Tradition. Die Methode, mit der Thiels Forschungsteam die Viren abgeschwächt hat, ist hingegen neu. «Bisher gibt es noch keinen zugelassenen Impfstoff, deren Viren, mit diesen sogenannten «One-to-stop codon modifcations», abgeschwächt wurden», ordnet Thiel ein.

Um sich zu vermehren, nutzen Viren die Zellmaschinerie der befallenen Wirtszelle aus. Sobald das Virus in die Zelle eingedrungen ist, setzt es sein Erbgut frei. Dieses virale Erbgut wird von der zelleigenen Maschinerie abgelesen und dient als Bauplan für die verschiedenen Virusbauteile. Die Wirtszelle produziert diese Virusbauteile, welche sich folglich zu neuen Viren zusammenfügen und freisetzen. Das Virus vermehrt sich.

Um das natürliche Virus Sars-CoV-2 abzuschwächen, hat die Berner Forschungsgruppe sein Erbgut modifiziert. Und zwar so, dass sich die Wahrscheinlichkeit für vorzeitige Stopcodons erhöht. Stopcodons sind Basenabfolgen, welche das Ende des Bauplans für ein Virusprotein markieren. Ähnlich wie ein Punkt das Ende eines Satzes markiert. Tritt nun ein solches vorzeitiges Stopcodon auf, bricht die Proteinsynthese frühzeitig ab: Es entstehen fehlerhafte Virusbauteile. Damit sinkt die virale Fitness und Pathogenität. Soll heissen, dass das Virus weniger schädlich ist als das natürliche. Das Virus ist abgeschwächt.

In der Studie konnten untersuchte Hamster und Mäuse schneller auf die Viren reagieren und waren besser geschützt gegen Erkrankung. Sie haben einen sogenannten «vollen Schutz» entwickelt, der besser vor Ansteckungen schützt, «Und das können wir im Tierversuch ganz gut nachweisen», sagt Thiel.

Der Weg über die Nase

Ein weiterer Vorteil: Die Verabreichung auf die Nasenschleimhaut, dort wo auch das Virus eintritt. Nach einer Impfung können die Coronaviren direkt an der Eingangstür abgewehrt werden.

Stand der Forschung

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Weltweit arbeiten an die hundert Forschungsgruppen an verschiedenen Ansätzen von nasalen Covid-Vakzinen. Unter ihnen befindet sich ein weiteres Team aus der Schweiz rund um den Virologen Thomas Klimkait von der Universität Basel. Die Basler Gruppe steht an einem ähnlichen Punkt wie die Forschenden in Bern und hofft, mit ihrem Ansatz von gentechnisch veränderten ganzen Viren bald in die klinische Phase starten zu können. 

Mit am weitesten bei den abgeschwächten Coronaviren ist die US-Firma Codagenix. Ihr Impfstoff wird zurzeit im Rahmen einer klinischen Studie mit der WHO in verschiedenen Ländern getestet, aktuell in Kolumbien. 

Doch nicht alle setzen in den nasalen Ansatz gleich grosse Hoffnung. Der US-amerikanische Immunologe Paul Offit relativiert: «Es ist unwahrscheinlich, dass die nasalen Impfstoffe einen besseren Schutz für einen längeren Zeitraum bieten.» Offit befürchtet, dass die generierten Antikörper zu kurzlebig seien.

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Impfen durch die Nase
aus News Update vom 28.07.2023.
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Volker Thiel sieht hier allerdings Potenzial in den «oft unterschätzen Gedächtnis- und T-Zellen», die in seinem Ansatz länger vor Krankheit schützen sollen. Und: «Der Impfstoff kann saisonal aufgefrischt werden, so wie bei der Grippeimpfung.»

Wieso ein neuer Impfstoff?

Immerhin schützen die bestehenden mRNA-Impfstoffe gut vor schwerer Erkrankung und Tod und die akute Phase der Pandemie ist überwunden. Doch es gäbe Personen, die besser geschützt werden könnten. «Besonders solche Bevölkerungsgruppen, die eventuell mit schweren Verläufen rechnen müssen und andere Erkrankungen haben, auch ältere Leute», sagt Thiel. Es sei deshalb wichtig, solche Konzepte zu testen und Impfstoffe weiterzuentwickeln, auch im Hinblick auf kommende Pandemien.

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Corona-Impfung: Hoffnung auf Nasenspray
aus Rendez-vous vom 19.08.2022. Bild: AP Photo/Chris Gardner
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Klar ist jedoch: Es wird noch Jahre dauern, bis der Impfstoff auf den Markt kommt, denn zuerst stehen anspruchsvolle und langwierige Tests am Menschen an. Das findet Volker Thiel angemessen, es brauche diesen erhöhten Zeitdruck wie zu Beginn der Pandemie nicht mehr.

Nano, 25.08.2023, 06:15 Uhr

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