Die Vorwürfe gegen den heute 19-jährigen Mann wiegen schwer: Die Staatsanwaltschaft hat ihn wegen Vergewaltigung, sexuellen Handlungen mit einem Kind und sexueller Nötigung angeklagt. Vor dem Bezirksgericht Lenzburg ging es um zwei Mädchen, die zur Tatzeit 12 respektive 14 Jahre alt waren.
Über das Internet hat der Mann die Mädchen kontaktiert. Dabei gab er sich als 17-jährig aus. Nach anfänglichem Chatten traf er sich mit ihnen. Die Teenagerinnen verliebten sich in den Angeklagten. Es kam zu Küssen und Berührungen und schlussendlich zum Geschlechtsverkehr. In der Anklage ist bei beiden Opfern von Vergewaltigung die Rede. Er habe die Verliebtheit der Mädchen ausgenutzt.
Cybergrooming ist weit verbreitet
Was die Mädchen gemeinsam haben: Ein volljähriger Mann kontaktierte sie online mit sexuellen Absichten. Beide wurden Opfer von sogenanntem Cybergrooming. «Cybergrooming bezeichnet das Phänomen, dass Erwachsene online den Kontakt zu Kindern herstellen und versuchen, sich sexuell anzunähern», erklärt Olivier Reber von Pro Juventute.
Das Ausmass des Cybergroomings ist enorm.
Aus Studien wisse man, dass rund die Hälfte der Jugendlichen schon einmal solche sexualisierte Anbahnungen erlebt haben. Mädchen seien doppelt so häufig betroffen wie Jungs. «Das Ausmass des Cybergroomings ist enorm.»
Doch was können Eltern tun, um zu verhindern, dass die Kinder Opfer von Cybergrooming werden? Chatten zu verbieten sei keine Lösung, betont Olivier Reber. «Es ist wichtig mit den Kindern über das Thema zu sprechen und sie zu sensibilisieren.» Man müsse Gefahren und Strategien aufzeigen. «Zum Beispiel sollte man nie Kontaktanfragen von fremden Personen annehmen.»
Solche Belästigungen können bei Kindern schwere Schäden hinterlassen, betont Reber. «Darum fordert Pro Juventute ein klares Verbot von Cybergrooming.»
Räte stellen sich gegen klares Verbot
Erst im letzten Jahr trat das revidierte Sexualstrafrecht in Kraft. Dabei verzichteten National- und Ständerat auf ein klares Verbot. Gefordert hatte dies die damalige Nationalrätin und heutige Bundesrätin Viola Amherd. Das Argument: Cybergrooming sei schon heute strafbar, obwohl es im Gesetz nicht ausdrücklich aufgeführt sei. Zum Beispiel könnte es als sexuelle Belästigung oder als versuchter sexueller Missbrauch geahndet werden.
Aktuell liegt das Thema bei der Rechtskommission des Nationalrats. Diese soll klären, ob es im Gesetz Lücken gibt und wie man allfällige Lücken schliessen könnte.
Hohe Strafe im Cybergrooming-Fall im Aargau
Im Fall vor dem Bezirksgericht Lenzburg sind gleich mehrere Strafbestände erfüllt. Zwar stritt der Angeklagte die Vergewaltigung ab und gab an, dass er die Mädchen nur angeschrieben hatte, weil er Deutsch lernen wollte. Der heute 19-Jährige kommt aus Afghanistan. Das Gericht glaubte ihm aber nicht und sprach ihn mehrheitlich schuldig. Wobei das Gericht ihn nur in einem Fall wegen Vergewaltigung verurteilte. Beim anderen Mädchen geht das Gericht davon aus, dass der Sex einvernehmlich war.
Er sei systematisch vorgegangen und habe gezielt junge Mädchen ausgesucht, damit sich diese in ihn verlieben würden. Der Mann wurde zu einer 7-jährigen Haftstrafe verurteilt. Das wegen wiederholten sexuellen Handlungen mit Kindern und einer Vergewaltigung. Ausserdem darf er sein Leben lang keiner Arbeit mit Minderjährigen nachgehen und wird für 15 Jahre des Landes verwiesen. Er könnte das Urteil noch ans Obergericht weiterziehen.