Ein guter Lobbyist redet seine eigene Rolle klein. Bei Matthias Zoller, zuständig für die Sicherheits- und Rüstungsindustrie beim Industrieverband Swissmem, tönt das so: «Ich bin derjenige, der informiert. Es geht vor allem darum, den Rüstungsmarkt zu kennen und zu schauen, wo man Mehrheiten finden kann. Und da haben wir vielleicht ein bisschen mitgeholfen.»
Bürgerliche wollen Rüstungsindustrie stärken
Das ist leicht untertrieben, denn die Lockerungen, die der Ständerat beschlossen hat, hat Zoller wesentlich mitgeformt. Während der Debatte warnte Josef Dittli von der FDP, dass immer mehr Staaten die Schweiz wegen der heutigen Exportregeln boykottieren würden. «Dies führt zum Untergang der Schweizer Rüstungswirtschaft. Rüstungsfirmen verlegen die Produktionsketten ins Ausland, Arbeitsplätze gehen verloren.» So werde die Armee geschwächt.
Neu sollen 25 westliche Länder – es sind die wichtigsten Kunden der Schweizer Rüstungsindustrie – generell eine Bewilligung für Rüstungskäufe erhalten. Die bisherigen Kriterien würden nicht mehr gelten - zum Beispiel, dass ein Käuferland in keinen Konflikt verwickelt sein und die Menschenrechte nicht systematisch verletzen darf. Der Bundesrat soll aber ein Vetorecht gegen einzelne Rüstungsgeschäfte haben.
Linke Ständeräte wie Daniel Jositsch von der SP wehrten sich vergeblich gegen diese Lockerung. «Sie unterwandern die Neutralität, sodass diese nicht mehr existiert.»
Via rote Linien zum Kompromiss
Anders sehen es FDP, Mitte-Partei und SVP. Sie sind sich einig und verschaffen der Lockerung eine komfortable Mehrheit. Das ist insofern bemerkenswert, als kurz vor dem Ukraine-Krieg Mitte-Ständerätinnen und -Ständeräte noch mitgeholfen hatten, die Regeln zu verschärfen – nun also die Lockerung.
Man gibt Ländern, welche Russland oder Israel beliefern können, einen Freipass.
Dahinter steht monatelange Vermittlungsarbeit. Die Fäden gezogen hat Matthias Zoller. «Bei den Parteien haben wir jeweils die roten Linien und die springenden Punkte angehört. So findet man schliesslich einen Kompromiss, welcher tragbar ist.»
Ein tragbarer Kompromiss gelang auch bei einer weiteren Lockerung. Die 25 westlichen Staaten sollen künftig gekauftes Kriegsgerät auch völlig frei an andere Länder weitergeben dürfen. Der Vorschlag kommt von FDP-Präsident Thierry Burkart – in Absprache mit der Rüstungsindustrie. «Diesen Ländern vertrauen wir, dass sie ebenfalls sorgsam mit der Weitergabe umgehen. Es sind Staaten, welche die wichtigsten internationalen Kriegsmaterialausfuhrregulative ebenfalls unterschrieben haben.»
Auch hier wehren sich ausschliesslich linke Ständeräte. Franziska Roth von der SP warnt vor einem grossen Risiko, wenn Staaten Schweizer Kriegsgerät frei weitergeben dürften. «Man gibt Ländern, welche Russland oder Israel beliefern können, einen Freipass.» Doch wiederum ist die Mehrheit für die Lockerung deutlich.
Referendum sehr wahrscheinlich
Rüstungslobbyist Zoller ist zufrieden. Er denkt bereits an die nächste Hürde, den Nationalrat. «Ich bin überzeugt, dass auch dort eine Mehrheit verstanden hat, dass Sicherheit etwas wert ist.»
Doch das letzte Wort könnte das Volk haben. «Ich frage mich, ob ihr euch selbst nicht einen Bärendienst erweist: Übertreibst du es beim legiferieren, tust du ein Nein beim Referendum riskieren», erklärte Grünen-Ständerat Mathias Zopfi an die Adresse der Bürgerlichen.
Sollten die Lockerungen durchs Parlament kommen, dann ist ein Referendum von links sehr wahrscheinlich.