Was muss als nächstes getan werden? Die Schweiz steht vor der Frage, wie der Strommarkt der Zukunft aussehen soll. Das Zauberwort lautet «Marktdesign». Noch ist offen, wie das Marktmodell genau aussehen soll. Der Bundesrat will im Herbst die Vernehmlassung dazu eröffnen.
Was ist das Ziel des neuen Strommarktdesigns? Eine zentrale Frage ist die Versorgungssicherheit. Die Energiestrategie 2050 sieht vor, den Anteil der erneuerbaren Energien deutlich zu erhöhen. Die Zunahme von Wind- und Sonnenstrom, der unregelmässig und wetterabhängig erzeugt wird, bringt neue Anforderungen mit sich. Zudem stellt sich die Frage, ob der wegfallende Atomstrom ausreichend kompensiert werden kann. Bundesrätin Doris Leuthard geht davon aus, dass die Versorgungssicherheit bis 2035 gegeben sei, dies jedoch unter der Voraussetzung, dass die Schweiz in den europäischen Strommarkt intetriert sei.
Vorgeschlagen wird die Schaffung von strategischen Reserven in der Schweiz, die nur im Falle einer kritischen Knappheit zum Einsatz kommen. Als Teil des neuen Marktdesigns will der Bund die Frage der strategischen Reserven genauer ausarbeiten. Auch ist die Frage der Versorgungssicherheit eine grundsätzliche: Es geht darum, wieweit die Schweiz ihren Strombedarf selber decken will und kann oder wie stark sie vom Ausland abhängig sein soll.
Thema Wasserkraft: Wird der Streit um die Wasserzinsen in die Diskussion um die Versorgungssicherheit miteinbezogen? Das ist noch nicht definitiv entschieden. Der Bundesrat will sich jedoch demnächst mit dem Thema befassen. Die Zeit drängt: Die aktuelle Regelung der Wasserzinsen läuft 2019 aus. Die Verhandlungen gestalten sich jedoch sehr schwierig, denn Berggebiete und Stromproduzenten können sich nicht einigen, wie hoch die Vergütung für die Nutzung des Wassers sein soll.
Der Bundesrat wollte den Stromkonzernen eigentlich entgegenkommen und die Wasserzinsen senken. Doch der Widerstand der Kantone war heftig. Deshalb ist die Senkung vorerst vom Tisch. Aus Sicht des Bundes bleibt jedoch eine Flexibilisierung der Wasserzinsen das Ziel.
Mit der Energiestrategie 2050 wurde ein Ablaufdatum bis 2031 für Subventionen für erneuerbare Energieanlagen festgelegt. Wie geht es danach weiter? Da gehen die Meinungen weit auseinander. SP-Nationalrat Roger Nordmann, aktuell Präsident der Umwelt- und Energiekommission, fordert, dass die Subventionen verlängert werden. Auch wenn die Technologien immer besser und günstiger würden, sei es wegen der derzeit tiefen Strompreise nur schwer möglich, Anlagen ohne staatliche Anschubfinanzierung rentabel zu betreiben.
Bürgerliche Politiker sehen dies jedoch anders, und auch der Bund plant keine neuen Subventionen. Stattdessen will er auf Innovationen im Bereich der Geschäftsmodelle setzen. Es soll zum Beispiel einfacher werden, Energie lokal zu verkaufen oder privat produzierten Strom selber zu verbrauchen. Auch dieser Aspekt ist Teil des neuen Strommarktdesigns.
Welche Pflöcke will das neue Marktdesign sonst noch einschlagen? Der Bund beschäftigt sich auch mit der Frage, wie die Effizienz des Marktes noch verbessert werden kann. Es geht dabei primär um die vollständige Öffnung des Strommarkts. Dieser ist in der Schweiz bisher nur zur Hälfte geöffnet. Private Haushalte haben keine Wahlfreiheit, sie müssen ihren Strom beim lokalen Elektrizitätswerk einkaufen. Grosse Firmen hingegen – mit einem Jahresverbrauch ab 100'000 Kilowattstunden – können ihren Strom auf dem internationalen Markt beziehen, meist zu einem tieferen Preis. Der Bundesrat will die völlige Liberalisierung des Strommarkts vorantreiben.
Allerdings zeigte sich in einer zu diesem Thema durchgeführten Vernehmlassung vor drei Jahren grosser Widerstand. Dass der Bundesrat den zweiten Schritt der Liberalisierung vorantreiben will, hat auch damit zu tun, dass dieser Voraussetzung für ein Strommarktabkommen mit der EU ist. Ein solches ist für die Einbindung der Schweiz in den europäischen Strommarkt wichtig. Denn derzeit ist die Schweiz den EU-Mitgliedstaaten nicht gleichgestellt. So kann sie zum Beispiel nicht an der «Marktkopplung» teilnehmen, im Rahmen derer der grenzüberschreitende Stromhandel und die dafür nötigen Transportkapazitäten abgesprochen werden. Brüssel wiederum will erst ein Stromabkommen abschliessen, wenn auch ein Rahmenabkommen mit der Schweiz zustande kommt.
Unabhängig von der Energiestrategie hat die Schweiz im letzten Herbst das Klimaabkommen von Paris ratifiziert, was bedeutet das? Die Schweiz hat sich verpflichtet, ihre Emissionen an klimaschädlichen Gasen bis 2030 zu halbieren (im Vergleich zu 1990). Die Schweiz muss also knapp 27 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen einsparen. Konkretisiert wird die Umsetzung dieses Vorhabens mit der Totalrevision des CO -Gesetzes und der Verknüpfung des Emissionshandels zwischen der Schweiz und der EU. Voraussichtlich im Herbst wird das Parlament darüber diskutieren. Geplant ist, dass mehr Autos mit erneuerbaren Treibstoffen fahren sollen und dass die CO -Emissionsvorschriften für Neuwagen verschärft werden. Eine Abgabe auf Treibstoffe ist jedoch nicht geplant.
Im Gebäudebereich wird die CO -Abgabe auf Brennstoffe weitergeführt. Wie lange und in welchem Umfang das Programm zur energetischen Sanierung von Gebäuden weitergeführt werden soll, ist einer der Streitpunkte. Ebenfalls umstritten sind die Massnahmen bei der Industrie. Das Parlament ist zudem uneinig bei der Frage, in welchem Umfang die CO -Kompensationsmassnahmen im Ausland getätigt werden dürfen.