Es ist eine ewige Diskussion am Freiburger Spital HFR: die Zweisprachigkeit. Vor allem die Deutschfreiburgerinnen und -freiburger fühlen sich oft nicht verstanden. Manche weichen deswegen in ein Berner Spital aus.
Besonders herausfordernd ist die Situation für die Leute aus dem Sensebezirk. Denn der Sensler-Dialekt tönt für viele Ohren ungewohnt. So sagen Seisler und Seislerinnen etwa «Häppere» für «Kartoffeln» oder «gugge» für «schauen».
Sprache als Eisbrecher
Hugo Estuelle ist Assistenzarzt am Spital Tafers FR und behandelt regelmässig Menschen aus dem Sensebezirk. Als Welscher habe er oft Mühe, sie zu verstehen. «Dabei ist die Sprache sehr wichtig in der Medizin», sagt er und erklärt: «80 Prozent der Diagnostik ist Anamnese, also das Gespräch mit dem Patienten. Wenn wir ein Detail nicht verstehen, kann das Folgen haben.» Darum besucht Hugo Estuelle einen Sensler-Deutschkurs.
Organisiert wird dieser Kurs vom HFR und anderen Freiburger Gesundheitsorganisationen. Nebst typischen Sensler Begriffen, vermittelt der Kurs, wie Senslerinnen und Sensler ticken.
Eine kranke Person ist vulnerabel – und wenn sie einen Satz drei Mal wiederholen muss, ist das nicht gut.
Anja Bohr, leitende Ärztin am Spital Tafers, hat den Kurs mitorganisiert. Sie ist im Sensebezirk aufgewachsen und kennt die Sorgen der Senslerinnen und Sensler. «Eine kranke Person ist vulnerabel – und wenn sie einen Satz drei Mal wiederholen muss, ist das nicht gut.» Und dies dürfe – gerade, wenn es um die Gesundheit gehe – nicht sein.
Darum will sie mit einem Kurs dafür sorgen, dass Ärztinnen und Pflegefachpersonen des HFR einen Draht zu den Senslerinnen und Sensler bekommen. «Die Sprache ist ein Eisbrecher», sagt sie – und zwar aus Erfahrung. Als Ärztin hat Anja Bohr auch in anderen Kantonen gearbeitet. «Ich wurde von Patientinnen und Patienten oft auf meinen Sensler Dialekt angesprochen.» Daraus hätten sich Gespräche ergeben, die nichts mehr mit der Krankheit zu tun hatten.
Sprachliche und kulturelle Missverständnisse
Der Kurs dauert eineinhalb Stunden. «Danach werden die Teilnehmenden sicher nicht Sensler Deutsch reden können, aber sie kennen ein paar Wörter, bei denen es Verwechslungen zwischen Deutsch und Sensler Deutsch geben kann», sagt Christian Schmutz, Kursleiter und Autor des Sensler-Deutsch-Wörterbuchs. Als Beispiel nennt er das Wort «tuusche». Wenn eine Senslerin sage, sie gehe «tuuschen», dann meine sie, sie gehe sich umziehen. Aber eine Nicht-Senslerin verstehe womöglich, sie gehe «duschen».
Nebst sprachlichen Unterschieden ist es für Christian Schmutz wichtig, dass die Teilnehmenden wissen, wie Senslerinnen und Sensler ticken. Dazu gehöre etwa, dass sie zurückhaltend seien. Dies könne speziell im Gesundheitswesen Probleme geben. Etwa wenn ein Sensler auf die Frage, wie es ihm gehe, nur sage: «Es geht.» Dabei habe er vielleicht starke Schmerzen. Darum: «Wer die zurückhaltende Art der Senslerinnen und Sensler kennt, kann die Situation besser einschätzen.»
Dieser Meinung ist auch Ärztin Anja Bohr. Darum will sie den Kurs gemeinsam mit Christian Schmutz weiterführen und für sämtliche Gesundheitsfachleute des Kantons öffnen.
Für Assistenzarzt Hugo Estuelle ist nach dem Kurs klar: Er versteht die Senslerinnen und Sensler jetzt besser.
Dennoch: Der Sensler-Deutschkurs ist nur ein erster kleiner Schritt auf dem Weg zu einer besseren Verständigung zwischen Deutsch und Französisch. Noch immer weicht rund die Hälfte der Deutschfreiburger Patienten in Berner Spitäler aus.