Der Nationalrat pocht auf eine Wiedereinführung der Gewissensprüfung für die Zulassung zum Zivildienst. Er hat den Bundesrat mit einem Postulat beauftragt, einen Bericht zur Wiederaufnahme der Gewissensprüfung zu erstellen. Die Vizepräsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK-N), Jacqueline de Quattro, erklärt im Interview, was sie sich davon verspricht.
SRF News: Jacqueline de Quattro, haben Sie Verständnis für Männer, die aus Gewissensgründen keinen Militärdienst leisten wollen?
Jacqueline de Quattro: Natürlich kann ich verstehen, dass man lieber in einem Spital arbeitet oder Pflanzen ausreisst, als dass man an der Front steht und sich abschiessen lässt. Das Problem ist, dass sich die Situation komplett verändert hat. Wir haben wieder Krieg in Europa, alle anderen Länder rundherum rüsten auf, wir können nicht einfach zuschauen.
Wie soll man einen WK durchführen, wenn es keinen Koch gibt, weil alle Brombeeren ausreissen gehen?
Was soll die Wiedereinführung der Gewissensprüfung beim Zivildienst bringen?
Seit die Gewissensprüfung abgeschafft wurde, gibt es fünfmal mehr Zivildienstleistende. Also ist der Zivildienst schon sehr attraktiv. Wir müssen schauen, dass wir genug Leute in der Armee haben. Wie soll man einen WK durchführen, wenn es keinen Koch gibt, weil alle Brombeeren ausreissen gehen?
Wir brauchen Leute, die hinstehen, damit man sich für den Worst Case vorbereiten kann.
Kritiker sagen, dann lassen sich einfach wieder mehr mit einem medizinischen oder psychiatrischen Gutachten ausmustern.
Da sollte sich jeder Arzt schämen, der einfach ein Zertifikat abgibt ohne Grund. Ich denke, die jungen Leute müssen wissen, wofür sie einstehen, wofür sie nützlich sind. Die letzten 30 bis 40 Jahre hatten wir Frieden. Wir konnten es uns leisten, die Leute anderswo einzusetzen. Jetzt ist die Gefahr eine andere: Wir brauchen Leute, die hinstehen, damit man sich für den Worst Case vorbereiten kann.
Wir haben heute 147'000 Soldaten, das sind 7000 mehr als der vorgeschriebene Maximalbestand. Wo liegt das Problem?
Die Zahl nimmt ab, und zwar sehr schnell. Die älteren Semester machen kein Militär mehr, von den jungen kommen weniger nach. Früher gab es 1300 Zivildienstler pro Jahr, heute fast 7000. Wir rechnen damit, dass bis 2030 bis zu 30'000 Leute fehlen in der Armee.
2017 hat der Bundesrat die Dienstpflicht von zwölf auf zehn Jahre reduziert, weil es zu viele Soldaten gab. Er könnte einfach wieder auf zwölf Jahre heraufgehen, dann wäre das Problem gelöst.
Der Bundesrat hat das eben nicht vorgeschlagen. Bundesrat Pfister will noch dieses Jahr mit einer neuen Strategie vor den Bundesrat kommen. Man muss schon sehen: Wir haben heute eine ganz andere Situation als vor 30 Jahren, und man kann jetzt nicht sofort umstellen auf ein komplett neues System.
Die Armee muss nicht attraktiv sein, sie ist eine Verpflichtung, eine Verantwortung. Das steht in der Verfassung. Es gibt in der Verfassung keine freie Wahl zwischen Armee und Zivildienst!
Sie haben mehrere Massnahmen gutgeheissen, die primär auf Männer zielen, die schon einen Teil des Militärdienstes absolviert haben und dann in den Zivildienst wechseln wollen. Sollte man nicht besser den Militärdienst attraktiver machen?
Die Armee muss nicht attraktiv sein, sie ist eine Verpflichtung, eine Verantwortung. Das steht in der Verfassung. Es gibt in der Verfassung keine freie Wahl zwischen Armee und Zivildienst!
Mein Sohn hat gerade die RS abgeschlossen. Wenn ich ihm so zuhöre, gibt es auch heute immer noch viel Leerlauf und Sinnlosigkeit beim Militär.
Das wird sich von selbst ändern. Wir müssen uns heute auf eine konkrete Bedrohung vorbereiten. Eine Bedrohung vom Land, aus der Luft, mit Drohnen. Schauen Sie in die Ukraine, schauen Sie in unsere Nachbarstaaten. Alle müssen aufrüsten, alle müssen sich überlegen, wie sie ihr Land im Ernstfall verteidigen.
Das Gespräch führte Urs Leuthard.