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Die Deals eines Hausarztes Arzt tätigt umstrittene Geschäfte mit Pharma- und Laborfirmen

Fragwürdige Deals mit Generikahersteller «Sandoz», zwei Laborfirmen, und dem führenden Medikamentenhändler «Galexis»: SRF Investigativ liegen brisante Dokumente zum Geschäft des Arztes Thomas Haehner vor.

Ein Bankbeleg zeigt schwarz auf weiss: Generika-Hersteller Sandoz überwies dem Arztketten-Betreiber Thomas Haehner vor drei Jahren 67’000 Schweizer Franken.

Das Mutterhaus Novartis schreibt SRF Investigativ dazu: «Die Zahlung ist die Gegenleistung für die Bereitstellung von Werbeflächen für Bildschirme und Patientenmaterialien in den Wartezimmern des Ärztenetzwerks. Mit solchen in der Schweiz branchenüblichen vertraglichen Vereinbarungen besteht die Möglichkeit, generell auf Generika aufmerksam zu machen.»

Bankbeleg
Legende: Novartis überweist im Auftrag von Tochterfirma Sandoz 67'312.50 Franken für Werbung im Wartezimmer von Arztpraxen. Kopie

Novartis schreibt weiter, solche Vereinbarungen entsprächen den gesetzlichen Anforderungen. Sie würden jährlich ausgehandelt.

«Entschädigung ist unzulässig»

«Da scheint die Pharmaindustrie eine andere Rechtsauffassung von einem an sich klaren Sachverhalt zu haben», sagt Helsana-Experte Ivan Tomka. Ein Arzt müsse grundsätzlich unabhängig von finanziellen Vorteilen handeln und ein Generikum dem Originalmedikament vorziehen.

SRF Investigativ deckt Arzt-Skandal auf

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Chaos in Praxen, fehlende Betriebsbewilligungen, miese Zahlungsmoral gegenüber Angestellten und Steuerämtern. SRF Investigativ deckt einen Arzt-Skandal um den Deutschen Thomas Haehner auf. Der Arzt und Geschäftsmann betreibt über seine Firmen, unter anderem Medium Salutis GmbH, 18 Hausarztpraxen in der Deutschschweiz mit Zehntausenden Patienten. Die Krankenkasse Concordia verfügte für drei Praxen im Kanton Luzern einen Zahlungsstopp. Helsana untersucht auffällig hohe Medikamentenabgaben und Laborkosten in Haehners Praxen.

«Damit ist eine Entschädigung für Werbung und Abgabe von Generika unzulässig», sagt Tomka. Und: Es sei nicht gestattet, unzulässige finanzielle Vorteile anzubieten und anzunehmen. Thomas Haehner erwidert, diese Verträge seien rechtsgeprüft. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) schreibt auf Anfrage, es werde dieser Sache «vertieft» nachgehen und die erforderlichen Massnahmen treffen.

Stellungnahme von Novartis

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«Die von Ihnen erwähnte Zahlung ist die Gegenleistung für die Bereitstellung von Werbeflächen für Bildschirme und Patientenmaterialien in den Wartezimmern des Ärztenetzwerks Medium Salutis GmbH. Dadurch wird auf die Einsatzmöglichkeit von Generika aufmerksam gemacht, um ihre Akzeptanz zu fördern. Durch den Einsatz von Generika können die Kosten im Gesundheitswesen gesenkt werden. Die Zahlungshöhe ergibt sich aus den elf Praxen mit über 20 Ärzten und der entsprechenden Patientenfrequenz.  Der Abschluss solcher Vereinbarungen wird Leistungserbringern durch Unternehmen der Generika-Branche angeboten und entspricht den gesetzlichen Bestimmungen. Sandoz schliesst solche Vereinbarungen jährlich neu ab und überprüft, ob die Dienstleistungen erbracht werden. Die zur Verfügungstellung der Werbeflächen in den 11 Praxen stellt somit klarerweise eine Leistung des Ärzteneztwerks Medium Salutis GmbH gegenüber der Sandoz dar. Unter den Voraussetzungen von Art. 55 Abs. 2 lit. c HMG und Art. 7 VITH, die vorliegend alle erfüllt sind, darf Sandoz der Medium Salutis GmbH mit ihren über 20 Ärztinnen und Ärzten diese Leistung vergüten. Die Vergütung stellt daher gerade keinen «ungebührenden Vorteil» dar und unterliegt auch nicht der Weitergabepflicht an die Versicherten gemäss Art. 56 Abs. 3 KVG. Diese Rechtsauffassung wird auch von dritter Seite bestätigt. Zum konkreten Kundenvertrag äussern wir uns aus Vertraulichkeitsgründen nicht weiter.»

«Grotesker Verschleierungsversuch»

Thomas Haehners Firma geschäftet auch mit Laborfirmen: Die Blutanalysen seiner Praxen schickt er dem Grosslabor Labor Team W. Dieses zahlte im Herbst 2020 der Aktiengesellschaft des Arztes 58'000 Schweizer Franken, wie aus Dokumenten hervorgeht, die SRF Investigativ vorliegen. Und zwar für eine 20-jährige Röntgenanlage, die in dessen Praxis in Freidorf TG steht.

Stellungnahme Labor Team W

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«Labor Team W» schreibt, die Verträge seien von einer früheren Geschäftsführung abgeschlossen worden und könnten heute nicht nachvollzogen werden: «Unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit schliesst die Labor Team W AG unter der neuen Führung solche Verträge generell nicht mehr ab.» Die neue Führung lege grossen Wert auf die Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Vorschriften und Compliance.

«Was soll das?», fragt Sozialversicherungsexperte Ueli Kieser. Er vermutet einen «grotesken Verschleierungsversuch» für einen unzulässigen finanziellen Vorteil.

Rechnung.
Legende: Wirft Fragen auf: Viamedica AG, die Firma von Thomas Haehner, stellte einem Labor eine 20-jährige Röntgenanlage in Rechnung. Das amortisierte Gerät steht immer noch in der Praxis Drei Birken in Freidorf TG. Rechnungskopie

Weiteres fragwürdiges Geschäft mit Labor

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Rechnung für Akquise einer Praxis
Legende: Rechnung für Akquise einer Praxis Thomas Haehner stellt dem Labor Rechnungen für die Übernahmen von Praxen. Rechnungskopie

SRF Investigativ liegt eine Rechnung vor, die Thomas Haehner dem Labor Synlab Suisse stellte. Der Arzt verrechnete dem Labor den Akquiseaufwand für die Praxisübernahmen in Alterswil FR und Oberkirch LU jeweils mit rund 27'000 Schweizer Franken.

«Das ist unzulässig, sagt Helsana-Experte Ivan Tomka. «Leistungen, die ein Arzt für sich selbst erbringt, dürfen nicht abgegolten werden.» Das Labor schreibt: «Synlab hält fest, dass sie sich zu konkreten Kundenbeziehungen nicht äussern kann. Synlab befolgt jederzeit geltende rechtliche Grundlagen und orientiert sich in ihrem Handeln am FAMH Labor Kodex. Synlab hat die eingegangenen Rechnungen und Zahlungsströme in der besagten Zeit nochmals im Detail geprüft. Die von Ihnen angesprochenen Rechnungen sind nie von der Buchhaltung angenommen und somit auch nie bezahlt worden.»

Haehner schuldet Medikamentenhändlerin über sechs Millionen Franken

Von einer «wirklich grossartigen Partnerin», schwärmt Arzt Thomas Haehner in einem PR-Artikel. Er meint Medikamentenhändlerin Galexis. Diese beliefert seine Praxen mit Heilmitteln. Das Geschäftsverhältnis muss eng sein. Denn Belege zeigen: Thomas Haehner hat bei Galexis offene Rechnungen in Höhe von über sechs Millionen Franken.

Video
Arzt-Skandal – Hausarztpraxen kollabieren wegen dubiosem Arzt
Aus Impact Investigativ vom 02.05.2023.
abspielen. Laufzeit 24 Minuten 1 Sekunde.

Es sind Ausstände, die bis 2020 zurückreichen. Trotzdem belieferte ihn Galexis weiter mit Medikamenten. Die Firma schreibt, sie seien sich der offenen Rechnungen bewusst, Galexis sei aber ein wichtiges Glied in der medizinischen Versorgung.

Stellungnahme Galexis

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«Es kommt immer wieder vor, dass Arztpraxen Liquiditätsengpässe haben. Als Gründe dafür haben wir in den vergangenen Monaten auch die Covid-Pandemie und den Fachkräftemangel wahrgenommen. (...) Inwiefern wir in einer solchen Lage Zahlungsaufschub gewähren, richtet sich jeweils nach den Sicherheiten, dem Geschäftsmodell und der Grösse des Kunden. Bei der Praxisgruppe von Herrn Haehner handelt es sich um einen grossen Kunden, was sich in der Höhe der Ausstände niederschlägt. Wir sind uns der Höhe des Ausstandes bewusst und verfolgen den vorliegenden Fall engmaschig, um unsere Interessen zu wahren und das potenzielle Verlustrisiko zu minimieren. Bei der Beurteilung solcher Situationen müssen wir immer auch berücksichtigen, dass unsere Lieferungen ein wichtiges Glied in der medizinischen Versorgung sind. Entsprechend gewichten wir immer auch die Auswirkungen auf Patientinnen und Patienten, bevor wir Lieferungen aussetzen. Das verlangt besonders bei Hausarztpraxen in ärztlich unterversorgten Gebieten besonderes Augenmerk.»

Versteckte finanzielle Interessen? 

«Ich kann mir nicht erklären, wieso eine Firma trotz solch hoher Ausstände den Arzt immer noch beliefert», sagt Helsana-Experte Ivan Tomka. «Da fragt sich, ob im Hintergrund allenfalls versteckte Interessen wirken.» Eine Auswertung der Kasse zeigt: Haehners Praxen verkaufen im Vergleich zu wirtschaftlichen Hausarztpraxen viel mehr Medikamente.

«Mir scheint, unter jedem Stein in diesem Konstrukt liegt etwas verborgen, das nicht zulässig ist», sagt Helsana-Experte Tomka. «Wir werden hier sehr genau hinschauen und wenn nötig, rechtliche Schritte einleiten.» Arzt Haehner weist die Vorwürfe zurück: Die Verträge seien statthaft und rechtsgeprüft.

Das sagt Thomas Haehner zu den Deals

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«Bezüglich der Ihnen vorliegenden illegal entwendeten und weitergereichten Verträge lässt sich Folgendes aussagen: Die Verträge unterliegen der Geheimhaltung. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass diese Verträge von den Rechtsabteilungen grosser Schweizer Unternehmen entworfen und rechtsgeprüft worden sind. Darüber hinaus lässt sich sagen, dass die Verträge branchenüblich und in vergleichbarer Form mit Hunderten von Praxen geschlossen worden sind. (...) Es gibt keinen geldwerten Vorteil.»

Kassensturz, 02.05.23, 21:05 Uhr

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