Die Reform der 2. Säule der Altersvorsorge ist eines der grossen Themen unserer Zeit. Das Problem: Die Erwerbstätigen bezahlen jährlich Milliarden, um die Renten der Pensionierten finanzieren zu können.
Das war ursprünglich nicht so gedacht. Jeder und jede sollte für sich sparen. Doch nur durch diese Umverteilung lassen sich die Renten der Pensionierten garantieren. Das Brisante: Die Umverteilung betrifft vor allem die Menschen, die am wenigsten verdienen.
Manfred Hüsler, Direktor der Oberaufsicht über die Pensionskassen, geht davon aus, dass die Umverteilung mit Beginn der letzten Banken- und Finanzkrise 2007/2008 einsetzte. Demnach beläuft sich der Betrag, den die Erwerbstätigen seit damals haben bezahlen müssen, um die Renten der Pensionierten zu finanzieren, auf 60 und 90 Milliarden Franken.
So läuft es konkret ab: Wenn jemand in Rente geht, hat er in der Pensionskasse Geld angespart. Die Kasse legt dieses Geld an und bezahlt mit dem erwirtschafteten Zins dem Pensionierten eine Rente. Das Problem dabei: Die Pensionskassen verdienen seit Jahren nicht genug, um die Renten finanzieren zu können.
Denn die Höhe der Renten ist mit dem Mindestumwandlungssatz fixiert und garantiert. Deshalb sagt Hüsler: «Weil die Rente garantiert ist, muss diese Lücke gefüllt werden. Jemand muss das ja bezahlen.» Und das sind die Erwerbstätigen.
Ein Erwerbstätiger bezahlt während seines Berufslebens Geld in seine Pensionskasse ein. Auch dieses Geld wird angelegt und der Zins sollte eigentlich auf sein Konto fliessen.
Nun aber wird ein Teil dieses Zinses für die Renten der Pensionierten abgezwackt, erklärt Hüsler: «Das führt dazu, dass die Erwerbstätigen ihr Altersguthaben bis zur Pensionierung schlechter verzinst haben und bei der Pensionierung ein tieferes Kapital haben.»
Wer wenig verdient, den trifft es stärker
Pikant ist, dass das nicht alle gleichermassen betrifft. Je nachdem in welcher Branche jemand arbeitet, bezahlt er oder sie mehr an diese Umverteilung: «In Tieflohnbranchen wie Gastro und Gewerbe sind die Probleme grösser als in solchen mit eher höheren Löhnen, etwa bei Banken und Versicherungen.»
Doch warum müssen diejenigen, die in Branchen arbeiten, in welchen sie eh schon wenig verdienen, auch noch stärker für die Pensionierten bezahlen? Hier kommt der Mindestumwandlungssatz ins Spiel. Dieser gilt nämlich nur für den Teil des Lohnes bis 85'000 Franken. Eine Pensionskasse muss nur diesen Teil des Altersguthaben mit aktuell jährlich 6.8 Prozent in eine Rente umwandeln.
Wenn also eine Pensionskasse viele Bauarbeiter oder Service-Angestellte versichert hat, die weniger verdienen, hat diese Kasse ein Problem. Sie muss nämlich das gesamte von ihr verwaltete Altersguthaben mit diesem Mindestumwandlungssatz in Renten umwandeln. Weil sie aber nicht genügend Geld verdient, muss sie Geld von den Erwerbstätigen nehmen.
Die Diskussion läuft
Pensionskassen mit vielen Bank-Mitarbeitern etwa haben es dagegen bedeutend einfacher. Diese machen eine Globalrechnung über das gesamte Altersguthaben. Womit sie den Umwandlungssatz bereits heute senken können und womit es einfacher ist, die Renten auszuzahlen, ohne die Erwerbstätigen anzuzapfen.
Bei der aktuellen Diskussion über die Rentenreform und die Senkung des Mindestumwandlungssatzes geht es denn auch primär um Pensionskassen in Niedriglohnbranchen.
Echo der Zeit, 05.02.2020, 18 Uhr.