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Digitale Krankenkassen Krankenversichert per App spart Geld – doch es gibt Probleme

Die Gesundheitskosten steigen. Digitale Krankenversicherungen bieten Sparpotenzial – doch es gibt Lücken.

Sparpotenzial bei steigenden Gesundheitskosten: Laut dem Sozialversicherungsexperten Thomas Gächter böten digitale Krankenversicherungen grosses Sparpotenzial. «Die digitalen Modelle sind eine gute Art, Kosten zu sparen, indem Personal effizient eingesetzt wird und überflüssige Arztbesuche verhindert werden. Und das ist der Grund, warum die Krankenversicherungen das zunehmend als Sparmodelle anbieten.» Auch Dirk Meisel vom Krankenkassenverband prio.swiss sagt, diese Versicherungsmodelle entlasteten unser Gesundheitswesen erheblich.

Alles bequem per App: Immer mehr Krankenkassen führen digitale Modelle mit Prämienrabatten ein. Die Idee ist, dass Patientinnen und Patienten alles in der App machen können: Ein Rezept verlängern, Symptome von einem KI-Checker bewerten lassen, mit einem Arzt chatten, eine Verletzung im Videocall zeigen oder das Foto einer Hautveränderung einschicken. Das funktioniert jederzeit und von überall. Zumindest in der Theorie.

Personen, die nicht digital versiert sind, werden von diesen Angeboten ausgeschlossen.
Autor: Stiftung für Konsumentenschutz

Eingeschränkte Zugänglichkeit: Die Stiftung für Konsumentenschutz bemängelt, dass die App-Modelle eine gewisse digitale Affinität voraussetzen. «Personen, die nicht digital versiert sind oder keine entsprechenden Geräte nutzen, werden von diesen Angeboten ausgeschlossen.»

Frau im Strickcardigan benutzt Smartphone.
Legende: Per App ein Rezept verlängern oder die KI zurate ziehen. Darauf setzen digitale Krankenkassen. IMAGO / Westend61

Anfällig für technische Störungen: Medgate, einer der wichtigsten Partner für digitale Modelle, machte im Herbst 2024 ein Softwareupdate – in der Folge waren gewisse Funktionen während Monaten nicht nutzbar. Laut Medgate sind Patientinnen und Patienten dadurch keine Nachteile entstanden, sie konnten trotzdem telefonisch einen Arzt kontaktieren. Die Patientenorganisation SPO hingegen schreibt: «Die Tatsache, dass Medgate monatelang nicht die versprochenen digitalen Services liefern konnte, zeigt, dass diese Modelle eine erhebliche technische Abhängigkeit mit sich bringen.»

Personalmangel ist auch bei digitalen Modellen ein Problem: Zwar haben digitale Anbieter den Vorteil, medizinisches Personal remote anstellen zu können – auch im Ausland. Doch der Fachkräftemangel stellt auch sie vor Probleme, das bestätigen sämtliche Akteure. Der Ärzte-Chat von Medgate wird beispielsweise in der App deaktiviert, wenn das Team zu stark ausgelastet ist. Nach der Systemumstellung letzten Herbst war das vermehrt der Fall.

Grosse Nachfrage nach digitalen Modellen

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Die KPT hat das digitale Grundversicherungsmodell KPTwin.smart im Herbst 2024 lanciert. «Das neue Modell ist auf Interesse gestossen, wir haben nach wenigen Monaten bereits einige Tausend Versicherte in diesem Modell«, schreibt Sprecher Beni Meier. «Wir sehen in digitalen Modellen grosses Potenzial und sind überzeugt, dass sich die Nachfrage weiter erhöhen wird. Schliesslich profitieren die Versicherten von tieferen Prämien, praktischen digitalen Angeboten und einem schnellen Zugang zur medizinischen Versorgung (auch in Zeiten von Hausärztemangel).»

Die Nachfrage nach dem Modell Agri-Smart von Agrisano ist riesig. «Wir sind mit diesem Produkt in der Grundversicherung um 30 Prozent gewachsen», sagt Sprecher Peter Fluder. «Das ist ein massives Wachstum.» Die Kundinnen und Kunden seien zufrieden und kämen gut mit der App zurecht. Ausschlaggebend sei für viele der Prämienrabatt. «Wir können dieses Produkt günstig anbieten, weil durch die Digitalität viele Kosten wegfallen.»

Das digitale Modell SmartCare von Atupri stösst seit der Einführung 2022 auf wachsendes Interesse. «Per 1. Januar 2025 zählte SmartCare 14’016 Versicherte, sprich 8.1 Prozent unserer Grundversicherten wählten dieses Modell», schreibt die Atupri-Sprecherin. «Das Modell bietet klare Vorteile wie die Möglichkeit, jederzeit und überall ohne Wartezeiten auf medizinische Beratung zugreifen zu können – und das zu deutlich günstigeren Kosten im Vergleich zu traditionellen Arztbesuchen.» Diese Flexibilität und Kosteneffizienz sprächen gerade die Bedürfnisse der jüngeren Generation an.

Die SWICA schreibt: Wir haben derzeit etwas mehr als 13'000 Versicherte im Multichoice-Modell. Das ist mit Blick auf die Gesamtzahl der SWICA-Versicherten (851'000) noch nicht sehr viel – wir sind aber vom Potenzial dieses Modells überzeugt.» Je stärker die Digitalisierung das Gesundheitswesen durchdringe, desto attraktiver und selbstverständlicher würden solche Lösungen.

Aquilana kennt seit 2023 ein digitales Modell. «Grundsätzlich besteht eine Nachfrage nach dem Modell SMARTMED. Aktuell haben wir rund 4500 SMARTMED-Versicherte, das entspricht rund 7 Prozent vom Gesamtbestand», schreibt der Geschäftsführer.

Keine Kompensation bei Appversagen: Die Patientenorganisation kritisiert: Während Patientinnen und Patienten «bestraft» werden, wenn sie direkt zum Arzt gehen, ohne die App zu konsultieren, müssen die Krankenkassen keine Kompensation zahlen, wenn die App versagt. Der Krankenversicherungsexperte Thomas Gächter sieht das anders: Die Patientinnen und Patienten profitierten weiterhin vom Rabatt, die nicht eingelösten Versprechen seien deshalb kein Problem.

Aussicht auf Besserung: «Ich denke, die Zeit ist durchaus reif, es wird bald Modelle geben, die zuverlässig funktionieren», sagt Gächter. «Bis es so weit ist, wäre wichtig, dass die Versicherten wissen, was sie machen sollen, wenn die Elektronik versagt.» Die Ombudsstelle Krankenversicherung empfiehlt in diesen Fällen, sich an die Krankenkasse zu wenden und sich das OK schriftlich geben zu lassen, direkt zum Arzt gehen zu dürfen.

Tagesschau, 28.04.2025, 19.30 Uhr;brus

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