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Diskussion um Tempo 30 «Die Zürcher Stadtregierung will die Stadt abschotten»

Während linke und grüne Kreise die Tempo-30-Pläne der Stadt Zürich begrüssen, kommt von rechts Kritik. Einer, der sich seit Jahren vehement gegen die Verlangsamung des Stadtverkehrs ausspricht, ist der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz.

Gregor Rutz

SVP-Nationalrat/ZH

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Der Jurist Gregor Rutz betreibt eine Kommunikationsagentur in Zürich. Seit 2012 sitzt er für die SVP im Nationalrat. Zuvor war er von 2001 bis 2008 Generalsekretär der SVP Schweiz.

SRF News: Langsamerer Verkehr, weniger Lärm: Aus Sicht von Fussgängern und Anwohnerinnen klingt das gut. Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen?

Gregor Rutz: Wer in der Stadt wohnt, möchte zentral wohnen, er möchte an den Verkehr angebunden sein und Restaurants und Veranstaltungen besuchen – und das ist selbstverständlich mit Lärm verbunden. Wer also mitten in der Stadt wohnt und sich permanent über Lärm beklagt, hat nicht begriffen, dass er wohl besser aufs Land ziehen müsste.

Wer mitten in der Stadt wohnt und sich über Lärm beklagt, sollte besser aufs Land ziehen.
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Ich wohne selber auch in der Stadt, in der Nähe hat es mehrere Spitäler. Entsprechend gibt es viel Lärm von Helikoptern, die starten und landen. Und da käme auch niemand auf die Idee, die Notfall-Flüge wegen des Lärms während der Nacht zu verbieten.

Ein Wohlstandsproblem?

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Er empfinde die Lärmdiskussion «zum grössten Teil als Wohlstandsproblem», sagt Rutz. Zudem habe, wer den Verkehr auf den Hauptachsen beruhigen wolle, etwas Zentrales in der städtischen Verkehrspolitik nicht begriffen: «Der Verkehr auf den Hauptachsen muss fliessen. Beruhigen muss man ihn in den Wohnquartieren.» Der Zürcher Stadtrat regiere ziemlich realitätsfremd, so Rutz: «Man merkt, dass hier viele Leute im Amt sind, die ihr Leben lang nie in der Privatwirtschaft tätig waren.»

Die Stadtregierung beruft sich ihrerseits auf die eidgenössische Lärmschutzverordnung, welche sie verpflichte, die Bewohnerinnen und Bewohner vor übermässigem Lärm zu schützen...

Die Auslegung dieser Lärmschutzverordnung scheint mit zunehmend ein Problem zu sein. Sie führt zu immer absurderen Resultaten. Da müssen wir wohl über die Bücher. Auf Bundesebene gibt es auch ganz andere Vorgaben: Bis 2040 sollen 28 Milliarden Franken in die Nationalstrassen investiert werden, um den Verkehr zu entlasten. In den letzten 15 Jahren sind eine Million Leute eingewandert, deshalb braucht es mehr Verkehrskapazitäten.

Man will das Auto aus der Stadt verbannen.
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Entsprechend werden auch in die Anschlüsse zwischen Autobahnen und den lokalen Strassennetzen der Agglomerationen und Städten Millionen investiert. Dieser Auftrag steht in der Bundesverfassung, das sind die Vorgaben der schweizerischen Verkehrspolitik. Die Zürcher Stadtregierung macht nun das Gegenteil. Sie will die Stadt abschotten und handelt damit gegen die Bundesverfassung. Das Ganze ist eine ideologische Diskussion: Man will das Auto aus der Stadt verbannen.

Milliardenkosten durch Staus

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Zum Argument des linken Verkehrsclubs der Schweiz (VCS), durch Tempo 30 werde der Verkehr verflüssigt, weil es weniger Staus und Stop-and-go-Situationen gebe, sagt Gregor Rutz:

«Ein Stau entsteht dann, wenn wir zu viele Fahrzeuge haben und die Kapazitäten der Verkehrsrouten zu klein sind. Man kann nicht in der ganzen Stadt permanent Fahrspuren und Parkplätze abbauen – auch der Parkplatz-Suchverkehr verursacht mehr Verkehr – und dann das Tempo reduzieren, damit der Verkehr angeblich flüssiger wird. Es kann ja nicht das Ziel sein, dann mit 10 km/h durch die Stadt zu fahren. Man muss sich die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Politik vor Augen halten: Allein auf Bundesebene verursachen die jährlichen Staus auf den Strassen Kosten in Milliardenhöhe. Mit seiner Politik verursacht der Zürcher Stadtrat dem Gewerbe, der Wirtschaft und der Volkswirtschaft massive Kosten. Letztlich verdrängt man so gute Steuerzahler aus der Stadt Zürich.»

Die Zürcher Stadtregierung betont, dass an Strecken, an denen keine Leute wohnen, weiterhin Tempo 50 gelten soll. Klingt das nach einem Kompromiss?

Nein. Wer davon spricht, Hauptverkehrsachsen beruhigen und dort Tempo 30 einführen zu wollen, der hat nicht begriffen, worum es in der Verkehrspolitik geht. Lieferanten oder Handwerker müssen zu ihren Kunden hinfahren können, sie müssen einen Parkplatz finden, sie müssen arbeiten. Es sind die Unternehmen und Gewerbebetriebe, welche in der Stadt Steuern bezahlen. Wenn jene, welche das Ganze finanzieren sollen, in ihrer Arbeit behindert werden, dann stimmt doch etwas nicht mehr.

Millioneninvestitionen in den ÖV

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Mit Tempo 30 auf den Hauptverkehrsachsen müssten massiv mehr Trams und Busse angeschafft werden, sagt Rutz. «Wenn der ÖV den bisherigen Takt einhalten soll, aber auf den Verkehrsachsen nur noch 30 fahren darf, braucht es mehr Transportmaterial. Das kostet Hunderte Millionen Franken. Und auch das sollen die Steuerzahler finanzieren.» Doch darüber habe bislang niemand gesprochen, so der SVP-Nationalrat.

Werden Sie gegen die Pläne der Zürcher Stadtregierung etwas unternehmen?

Jetzt ist vor allem der Kanton Zürich gefordert. Die Volkswirtschafts- und die Verkehrsdirektion müssen schauen, dass der Verkehr im Kanton Zürich funktioniert. Wenn nun die beiden grössten Städte plötzlich eine Abschottungspolitik betreiben, ist das nicht mehr gegeben und es sind volkswirtschaftliche Schäden zu befürchten. Zudem werde ich als Einwohner der Stadt Zürich dafür schauen, dass alle möglichen Mittel ergriffen werden, um solchen Unsinn zu verhindern.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

Tempo 30 nachts in Lausanne

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Auch die Stadt Lausanne führt Tempo 30 ein: Das Tempolimit gilt ab September auf fast allen Strassen – aber nur nachts ab 22 Uhr. Die Stadtregierung begründet die Massnahme mit dem Lärm. Messungen hätten ergeben, dass Zehntausende Lausannerinnen und Lausanner vor allem nachts übermässigem Lärm ausgesetzt seien, sagt SRF-Korrespondentin Barbara Colpi. «Die Belastung kann durch Tempo 30 signifikant reduziert werden.» In mehreren Quartieren sei Tempo 30 bereits getestet worden und die Bewohnerinnen und Bewohner hätten positiv auf die nächtliche Reduktion des Verkehrslärms um bis zu 50 Prozent reagiert, sagt Colpi. Noch unklar ist, ob im spätabendlichen Lausanner ÖV die Frequenz der Kurse verringert wird, oder ob mehr Busse angeschafft werden sollen. Gegen die Einführung von Tempo 30 wehrten sich u.a. die Taxifahrer, doch sie unterlagen vor dem Waadtländer Verwaltungsgericht.

SRF 4 News aktuell vom 15.7.2021, 06:50 Uhr ; 

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