Es ist wohl eine der ältesten Fragen der Menschheit: Woher komme ich? Ein Forschungsprojekt will diese Frage nun klären, zumindest für Männer aus dem Wallis. Dafür wird DNA-Material gesammelt.
«Mittels DNA-Analyse können wir viel weiter in die Familien- und Migrationsgeschichte zurückschauen, als dies auf konventionellen Wegen möglich ist», erklärt Marie-Claude Schöpfer von der Stiftung Wallis DNA, welche das Projekt lanciert hat. Mit «konventionellen Wegen» meint die Historikerin die Archivforschung. Also Archive durchforsten; alte Urkunden, Kirchenbücher oder Stammbäume nach Informationen durchstöbern.
Das Projekt ist in der Schweiz in dieser Form einzigartig. Fast 400 Walliser haben bereits ihre DNA zur Verfügung gestellt und in den USA analysieren lassen. «Der Datenschutz ist gewährleistet. Rückschlüsse auf einzelne Personen sind nicht möglich», versichert Marie-Claude Schöpfer.
Männer-DNA im Fokus
Woher kommen die alteingesessenen Walliser Familien ursprünglich? Wo haben sie sich auf ihrem langen Weg ins Wallis zwischenzeitlich niedergelassen? Diese Fragen will das Projekt klären. Dafür werden die DNA der Walliser mit anderen Daten verglichen, zum Beispiel mit DNA-Spuren, die Archäologinnen und Archäologen gefunden haben.
Warum aber wird nur Männer-DNA gesammelt? Das sei der Biologie geschuldet, erklärt Marie-Claude Schöpfer. «Bei der DNA-Analyse wird das Y-Chromosom genauer angeschaut, und das haben nur Männer.» Das Y-Chromosom wird vom Vater an den Sohn vererbt. «Der Vorteil ist, es verändert sich auch über Generationen kaum.» Eine Analyse des Y-Chromosoms lässt weit in die Vergangenheit blicken.
Bis zu 100'000 Jahre zurück
Marie-Claude Schöpfer macht ein Beispiel. «Hier haben wir die Resultate einer DNA-Analyse.» Sie zeigt auf ihren Computerbildschirm, darauf zu sehen ist eine Weltkarte mit farbigen Pfeilen. «Sie zeichnen den Weg nach, den die Vorfahren einer Walliser Familie gegangen sind. Quer durch Afrika, über Saudi-Arabien bis in die Mongolei und dann westwärts nach Mitteleuropa.» Die ältesten Spuren sind in Nigeria zu finden. Gut 100'000-jährig sind sie.
«Je mehr Daten wir haben, umso mehr Zusammenhänge lassen sich entdecken.» So könne man nachweisen, dass zwei Einzelpersonen einen gemeinsamen Vorfahren haben. «DNA-Analysen haben zum Beispiel gezeigt, dass die alteingesessenen Familien Carlen und Biderbost im Goms einen gemeinsamen Vorfahren mit zwei Unterwalliser Familien sowie mit einer Familie aus Graubünden haben. Der Vorfahre lebte ums Jahr 800.»
Marie-Claude Schöpfer ist überzeugt: «Mit unserem Walliser Forschungsprojekt können wir im Kleinen zeigen, was auch im Grossen passiert. Familien spalten sich ab. Die Menschheit hat sich schon immer durch die Welt bewegt.»