Zum Inhalt springen

Doch kein Gesetz zum Schutz Whistleblower geniessen hierzulande wenig Sympathie

Vier Justizministerinnen haben sich an einer Whistleblower-Gesetzgebung die Zähne ausgebissen. Zwei Anläufe und zwölf Jahre später bleibt nur ein Scherbenhaufen übrig. Und die Erkenntnis: Hierzulande ist ein Schutz für Leute, die Missstände aufdecken wollen, politisch nicht mehrheitsfähig.

Die Ratslinke wollte unbedingt einen Kündigungsschutz für Whistleblower. Der Ratsrechten wäre ein solcher Schutz viel zu weit gegangen. Also beschritt der Bundesrat einen Mittelweg und schlug eine moderate Regelung vor – die dann den beiden Polen in der grossen Kammer auch nicht recht war. Lieber gar keine Regelung als diese, war der Tenor heute im Nationalrat.

Doch die grosse Kammer hat wahrscheinlich eine Chance vertan: Einen neuen Anlauf wird es so schnell nicht mehr geben, liess Justizministerin Karin Keller-Sutter deutlich durchblicken. Ihre Lust hält sich in Grenzen, nochmals eine Variante auszuarbeiten, die dann wieder zerpflückt wird. Links und Rechts liegen in der Frage des Whistleblowerschutzes einfach zu weit auseinander.

Schweiz gerät ins Hintertreffen

Doch damit bleiben die Rechte von Menschen, die Missstände aufdecken wollen, für weitere Jahre auf der Strecke. Die Schweiz ist beim Whistleblowerschutz ins Hintertreffen geraten. Jüngst hat die EU griffige Regeln beschlossen. Wer hierzulande aber Geschäftsgeheimnisse oder Systemmängel in die Öffentlichkeit trägt, muss weiterhin damit rechnen, nicht nur die Stelle zu verlieren, sondern auch vor Gericht gezerrt zu werden.

Doch eigentlich müsste die Öffentlichkeit daran interessiert sein, dass es einen rechtlichen Rahmen für Whistleblowing gibt. Die Veröffentlichungen von Whistleblowern haben oft dazu geführt, dass das System verbessert wird. Gerade auch Unternehmen müssten daran interessiert sein, dass Unregelmässigkeiten gemeldet oder ans Tageslicht kommen.

Selten Sympathieträger

Doch dass man sich hierzulande so schwertut, hat möglicherweise auch damit zu tun, dass der typische Whistleblower oft kein Sympathieträger ist. Der ehemalige Bankmanager Rudolf Elmer etwa, der international als wichtige Figur rund um den Fall des Schweizer Bankgeheimnisses gilt, in der Schweiz aber als «Dieb und Erpresser» betitelt wurde. Oder Adam Quadroni, der das Bündner Baukartell zu Fall brachte, dessen Motive aber oft hinterfragt wurden: Whistleblower verraten störende Vorgänge oft nicht nur aus einem Gerechtigkeitsempfinden. Am Anfang steht manchmal ein Arbeitskonflikt, oder sie wurden verletzt. Whistleblower sind keine Engel.

Diesem Umstand hätte die vorgeschlagene Gesetzgebung des Bundesrates auch Rechnung getragen. Doch das Motiv des Whistleblowers darf keine Rolle spielen. Es geht einzig darum, ob relevante Missstände ans Tageslicht kommen, die sonst vertuscht worden wären.

Andy Müller

Bundeshausredaktor

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Andy Müller ist Bundeshausredaktor des Schweizer Fernsehens. Zuvor war er Themenplaner und stellvertretender Redaktionsleiter von «10vor10».

Hier finden Sie weitere Artikel von Andy Müller und Informationen zu seiner Person.

Sendebezug: Tagesschau am Mittag, 05.03.2020, 12.45 Uhr

Meistgelesene Artikel