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Doppelbürger in der Schweiz Weniger loyal und schlecht integriert? Falsch!

Eine neue Studie stellt Doppelbürgern ein gutes Zeugnis aus – und wartet mit einem brisanten politischen Vorschlag auf.

Die WM in Russland wird in der Schweiz weniger aus sportlichen als aus politischen Gründen in Erinnerung bleiben. Die berühmt-berüchtigte Doppeladlergeste von Schweizer Spielern entfachte die Diskussion um die Integration von Doppelbürgern von neuem. Nun hat eine Studie der Eidgenössischen Migrationskommission (EKM) untersucht, ob sie tatsächlich weniger verbunden sind mit der Schweiz.

Jede vierte Schweizerin, jeder vierte Schweizer hat noch einen weiteren Pass und ist damit Doppelbürgerin. EKM-Präsident Walter Leimgruber findet diese Zahl eindrücklich. Sie sage einiges über die Schweiz aus: «Man merkt, wie vielfältig sie geworden ist. Es gibt nicht einfach ‹entweder oder›. Es gibt immer mehr Leute, die ‹sowohl als auch› sind.»

«Sowohl als auch sein» sei Chance, aber auch Risiko, heisst es in der Doppelbürgerstudie. Entstanden ist sie an der Universität Luzern im Auftrag der EKM. Zum Risiko wird die doppelte Staatsbürgerschaft, wenn beide Staaten Steuern einziehen wollen – oder wenn beide Staaten einen Doppelbürger zum Militär aufbieten wollen.

Die Einbürgerung befördert die Integration.
Autor: Walter Leimgruber Präsident der EKM

Die Chancen würden aber klar überwiegen, bilanzieren die Autoren, und so sieht es auch ihr Auftraggeber, EKM-Präsident Leimgruber: Wenn Menschen ihre alte Staatsbürgerschaft behalten könnten, seien sie eher bereit, sich einbürgern zu lassen. Und wer sich einbürgern lasse, integriere sich schneller: «Die Identifikation wird grösser. Die Einbürgerung befördert also die Integration.»

Auch Doppelbürger zieht es an die Urne

Bei Bildung und Einkommen zeige sich, dass Doppelbürger gut integriert seien. «Und die Studie zeigt, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass sie weniger loyal sind gegenüber der Schweiz. Sie gehen ungefähr gleich oft abstimmen wie die Einfach-Bürger.»

Unterschiede gibt es bei der Freiwilligenarbeit. Doppelbürger sind weniger vertreten in Vereinen, Klubs oder Parteien. Für EKM-Präsident Leimgruber ist das wenig aussagekräftig: «Hier wurden nur klassische Vereinsmitgliedschaften erfasst. Wir sehen im urbanen Umfeld, dass Engagement oft auf einer anderen, spontanen Ebene läuft.» Das treffe auch auf Doppelbürger zu: Sie leisteten mehr Freiwilligenarbeit ausserhalb von Vereinen oder Parteien.

Weitergabe des Bürgerrechts einschränken?

Einen skeptischen Blick wirft die Studie auf Schweizerinnen und Schweizern, die seit Generationen als Doppelbürger im Ausland leben. Diese können das Schweizer Bürgerrecht von Generation zu Generation weitergeben, auch wenn sie keinerlei Beziehungen mehr zur Schweiz haben.

Das sei problematisch, schreiben die Autoren. Sie regen eine Diskussion an, ob Auslandschweizer den Roten Pass künftig nicht mehr unbeschränkt weitergeben dürften. Diese politisch brisante Idee teile die EMK nicht, sagt Leimgruber: «Ich persönlich würde die Weitergabe des Schweizer Bürgerrechts nicht infrage stellen.»

Leimgruber sagt aber: «Warum ist es uns so wichtig, dass alle, die teils seit Generationen im Ausland leben, Schweizer bleiben? Und warum haben wir umgekehrt Vorbehalte, denen das Schweizer Bürgerrecht zu geben, die seit Generationen hier leben?» Das seien spannende Fragen.

Es brauche keine höheren Hürden für Auslandschweizer, die Schweizer bleiben wollten. Sondern tiefere Hürden für Ausländer, die Schweizer werden wollen, findet Leimgruber. Politisch brisant ist auch das.

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