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Drei Tote in fünf Jahren Wie ein gefährlicher Wasserfall mit dem Bagger entschärft wird

Bei einem Wasserfall im Kanton St. Gallen starben in den letzten fünf Jahren drei Menschen. Die Sicherheitsarbeiten entschärfen die Situation aber nur teilweise; es bleibt gefährlich.

So verlockend der Wasserfall Felsegg bei Henau SG an heissen Sommertagen zum Baden einlädt, so gefährlich ist er auch. Laut Schweizerischer Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG ist es die gefährlichste Stelle eines Flusses im Kanton St. Gallen, weil im Flussbett oberhalb des Wasserfalls mit vielen rutschigen Stellen weitere Gefahren lauern. Stürzt jemand, ist es schwierig, wieder Halt zu finden – und er oder sie treibt auf den Wasserfall zu.

Besonders problematisch: ein natürlicher Trichter, der einen Viertel des ganzen Wasservolumens schluckt, bildet eine Art Siphon, der das Wasser unten abfliessen lässt.

«Das heisst: Für Personen, die in den Trichter hineingeraten oder dort arbeiten, besteht die Gefahr, dass sie eingeklemmt werden. Durch den Wasserdruck können sie sich aus eigener Kraft nicht mehr befreien», sagt Joël Rödi, Einsatzleiter und Präsident der SLRG Mittelrheintal, zu deren erweitertem Einsatzgebiet der ganze Kanton St. Gallen sowie beide Appenzell gehören.

Der Wasserdruck im Trichter ist enorm hoch. Dieser kann schnell einige Hundert Kilo oder bis zu zwei Tonnen betragen. Genau dies wurde in den letzten fünf Jahren drei Menschen zum Verhängnis: 2020, als eine Frau und ein Mann ertranken, und 2024, als ein weiterer Mann in den Wassermassen starb.

Die Natur birgt Gefahren, die wir nicht einfach aus der Welt schaffen können.
Autor: Jürg Marthy Abteilungsleiter Wasserbau, Amt für Wasser und Energie St. Gallen

Im Fall vom letzten Sommer war ein Bagger nötig, um den Verunglückten überhaupt bergen zu können. Nur so war es möglich, den Wasserdruck abzuleiten. Weil diese Rettungseinsätze sehr gefährlich sind, hat sich der Kanton nun dazu entschieden, den Felsvorsprung in der Mitte wegzufräsen und die Situation beim Trichter so zu entschärfen.

Mann mit Mikrofon vor Wasserfall und Bäumen.
Legende: Jürg Marthy, Abteilungsleiter Wasserbau beim Kanton St. Gallen, erklärt, dass die baulichen Massnahmen vor allem auch für Rettungseinsätze getätigt werden. SRF

«Es entschärft vor allem die Einsatzsituation der Rettungskräfte», sagt Jürg Marthy, Abteilungsleiter Wasserbau beim Kanton St. Gallen. «Wir betreiben keine Unfallprävention. Wir wollen die Rettungskräfte im Einsatzfall schützen.»

Es müsse weiter mit Unfällen gerechnet werden. «Es ist ein natürlicher Wasserfall. Die Natur birgt Gefahren, die wir nicht einfach aus der Welt schaffen können.»

Bagger und Arbeiter auf Felsen im Wasserfall.
Legende: Bergungsarbeiten am Wasserfall können mehrere Stunden dauern – wie hier 2024, als zusätzlich ein Bagger nötig war. SRF

Der Eingriff am Felsen soll so natürlich wie möglich erfolgen. Denn der Felsegg-Wasserfall liegt in einem Auengebiet von nationaler Bedeutung – Flüsse und Bäche, bei denen sich Hoch- und Niedrigwasserphasen abwechseln und durch Überschwemmungen dynamische Lebensraumstrukturen entstehen – und ist seit 1992 durch eine Bundesverordnung geschützt.

Deshalb sind Gitter oder Absperrungen keine Option. Die Baukosten sind wegen der Sicherheit hoch und liegen bei maximal 250’000 Franken. Geht alles rund, mit Baubewilligung und ohne Einsprachen, will der Kanton so schnell wie möglich beginnen. Dann wäre der Wasserfall Felsegg bis im Herbst teilweise entschärft.

Gemeinden stellen Gefahrentafeln auf

Obwohl es zu mehreren tödlichen Unfällen kam, haben die zuständigen Gemeinden Uzwil und Oberbüren keine Warnschilder angebracht. Jetzt, mit den Massnahmen des Kantons, wollen sie auf die Gefahr hinweisen und bei den Zugängen und am Flussbett Tafeln aufstellen. Ein Badeverbot gibt es nicht.

Die SLRG appelliert derweil an die Bevölkerung: Vorsicht sei sowieso immer geboten, nicht nur an neuralgischen Stellen. Joël Rödi vom SLRG Mittelrheintal sagt: «Grundsätzlich müssten Sie an Fliessgewässern alle fünf Meter eine Gefahrentafel aufstellen, denn potenzielle Gefahrenstellen gibt es überall.»

Schweiz aktuell, 23.6.2025, 19:00 Uhr ; 

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