Mit dem Erfolg von Nemo am Eurovision Song Contest ist das Thema aktueller denn je: Für non-binäre Menschen soll auf amtlichen Dokumenten die Option eines dritten Geschlechts eingeführt werden. Nemo hat bereits angekündigt, den zuständigen Bundesrat Beat Jans (SP) treffen zu wollen und sich dafür starkzumachen.
Widerstand im Basler Parlament
Bei Jans dürfte Nemo offene Türen einrennen: Denn der amtierende Justiz- und Polizeidirektor hatte in seiner Zeit als Regierungspräsident in Basel ein Gleichstellungsgesetz präsentiert, das in der Deutschschweiz Pioniercharakter hat. Dieses Gesetz schliesst auch non-binäre Menschen ein, stiess jedoch auch auf Widerstand.
Im Januar 2024 wurde es dann vom Parlament in einer abgeschwächten Form angenommen. Interessantes Detail: Die politische Diskussion wurde in Basel von der damaligen grünen Grossrätin Nora Bertschi angestossen, die heute Generalsekretärin im Departement von Bundesrat Jans ist.
Bei gewissen Formularen kann der Kanton die Einführung einer dritten Option prüfen.
Basel-Stadt nimmt beim Thema Gleichstellung in der Deutschschweiz eine Vorreiterrolle ein, doch stösst der Kanton bei der Umsetzung des Gesetzes an Grenzen. Gerade bei der Ausstellung von amtlichen Dokumenten wie Pass oder Identitätskarte ist nämlich der Bund zuständig.
Wichtig für Betroffene
Ein gewisser Spielraum bleibe jedoch den Kantonen überlassen, erklärt Evelyne Sturm, Co-Leiterin der Fachstelle Gleichstellung Basel-Stadt: «Bei gewissen Formularen kann der Kanton die Einführung einer dritten Option prüfen. Zum Beispiel bei Bevölkerungsbefragungen oder Anmeldeformularen.» Dies ist zwar nur ein kleiner Schritt, sei aber ein wichtiges Zeichen, betont Evelyne Sturm: «Für Betroffene sind auch solche sogenannt kleine Massnahmen sehr wichtig.»
Betroffen ist zum Beispiel Billy Ostertag aus Basel. Ostertag ist non-binär, fühlt sich weder als Frau noch Mann. Ostertag ist auch Vorstandsmitglied des Vereins Habs Queer Basel und betont: «Wenn es diese dritte Möglichkeit gäbe, dann schadet das ja niemandem, aber es hilft einigen.»
Ostertag würde die Einführung eines dritten Geschlechts denn auch viel bedeuten. «Für mich, und ich nehme an für die ganze Community, wäre das eine Befreiung.»
Bundesrat noch 2022 dagegen
Wie lange Billy Ostertag noch auf diesen Moment der Befreiung warten muss, ist offen. Der Bundesrat sprach sich noch im Dezember 2022 explizit gegen die Einführung eines dritten Geschlechts aus – auch einen Verzicht auf den Geschlechtseintrag wollte er nicht gutheissen. Die Frage eines dritten Geschlechts dürfte, wenn sie wieder aufs Tapet kommt, in den Parlamenten denn auch für hitzige Diskussionen sorgen.
In Basel-Stadt haben diese Debatten bereits stattgefunden, in Kraft ist das Gesetz jedoch noch nicht. Zuerst müsse die Regierung noch die entsprechenden Verordnungen ausarbeiten, sagt Evelyne Sturm. Dies werde noch eine gewisse Zeit beanspruchen, «aber sicher nicht Jahre», betont die Leiterin der Fachstelle für Gleichstellung.
Kanton Genf als Vorreiter
Bereits einen Schritt weiter ist indes der Kanton Genf. Kaum bemerkt von der übrigen Schweiz und ohne grosse Diskussionen hat Genf bereits im März 2023 als erster Schweizer Kanton ein neues Gleichstellungsgesetz verabschiedet. Dieses umfasst eine breite Geschlechterdefinition ohne Fokus auf Mann und Frau, so wie es auch in Basel-Stadt vorgesehen ist.