Am Donnerstag findet vor Bundesstrafgericht in Bellinzona erstmals ein Prozess gegen einen Schweizer IS-Anhänger statt, der versucht haben soll, nach Somalia zu reisen. Bisher betrafen vergleichbare Fälle Reisen nach Syrien.
Im syrischen Bürgerkrieg, der 2011 begann, spielten ausländische Kämpfer eine zentrale Rolle – Zehntausende reisten nach Syrien und in den Irak. Aus der Schweiz waren es insgesamt 78 Personen.
Doch seit 2019 gilt der IS in Syrien militärisch als besiegt. «Seither sind afrikanische Destinationen wie Somalia für Dschihad-Reisende interessanter geworden», sagt Ahmed Ajil, Kriminologe und Terrorismusforscher an der Universität Luzern. «Dass Somalia zum neuen Syrien wird, wage ich aber zu bezweifeln.» Der IS verfüge in Somalia nur über einige Hundert Kämpfer und kontrolliere keine Gebiete.
Somalia ist nicht das neue Syrien
So sieht es auch der Somalia-Experte Omar Mahmood von der International Crisis Group, einer Organisation für Konfliktlösung und Friedensstiftung. «Zwar hat sich der IS in den letzten Jahren auf den afrikanischen Kontinent fokussiert, und wir beobachten im Norden Somalias einen Zustrom ausländischer Kämpfer zum IS, aber ich glaube nicht, dass Somalia bereits mit Syrien gleichgesetzt werden kann. So weit geht es nicht.» Die lokalen Behörden seien in den letzten Monaten militärisch gegen den IS vorgegangen und die IS-Kämpfer seien zerstreut. «Das hat den Zustrom ausländischer Kämpfer unterbrochen.» Die militärische Operation sei allerdings noch nicht abgeschlossen.
Dass sich der IS in Somalia nicht richtig etablieren kann, liegt auch an der Terrormiliz Al-Shabaab, einem Ableger der Al-Kaida. Sie kontrolliert mehrere Gebiete in Somalia und ist mit dem IS zerstritten. «Der IS ist für die Al-Shabaab zu extrem, deshalb kommt es zu innerdschihadistischen Kämpfen», sagt Terrorismusforscher Ajil.
Dass der IS in Somalia bis heute relativ bedeutungslos geblieben ist, macht ihn nicht ungefährlicher. «Da es dem IS nicht gelingt, eine territoriale Kontrolle aufrechtzuerhalten, ist er darauf angewiesen, sein Image durch Propaganda, die Rekrutierung neuer ausländischer Kämpfer und das Verüben von Anschlägen aufzupolieren», so Ajil.
Syrien und Afghanistan wieder attraktive Dschihad-Ziele
Somalia wird also wohl nicht zum neuen Syrien. Vielmehr könnten Afghanistan und Syrien selbst wieder zum Magnet für ausländische Kämpfer werden. Laut Ajil gewinnt der IS dank der Taliban in Afghanistan und dem Sturz Assads in Syrien an Spielraum. Er könnte dort wieder Territorium kontrollieren und seine Kämpfer aus den Gefängnissen befreien. «Da müssen wir gut beobachten, was in den nächsten Jahren passiert.»