SRF News: Sie sprechen von einem aussergewöhnlichen Wahlkampf – warum?
Georg Lutz: Bei der SVP ist es zwar eher ein Standardwahlkampf. Sie hat schon bei früheren Initiativen und Abstimmungskämpfen flächendeckend Zeitungen an Haushalte geschickt und Plakate aufhängen lassen. Neu ist aber, dass die Gegner nun sehr breit und heftig mobilisieren – etwa mit dem Auftritt der elf alt Bundesräte und Bundesrätinnen . Auch dass sich fast alle an Universitäten tätigen Rechtsprofessoren gegen eine Initiative stellen, haben wir so eigentlich noch nie gesehen.
Auch andere Vorlagen waren in der Vergangenheit umstritten. Trotzdem haben wir nun diesen intensiven Abstimmungskampf. Wie erklärt sich das?
Das hat damit zu tun, dass ein knappes Ergebnis erwartet wird. Niemand geht davon aus, dass die SVP sicher verlieren wird. Aber die Gegner haben jetzt auch gemerkt, dass sie ein Nein herbeiführen können. Dann gibt es jene, die es inhaltlich sehr fragwürdig finden, dass die Verhältnismässigkeit nicht mehr berücksichtigt.
Die Gegner haben gemerkt, dass sie ein Nein herbeiführen können.
Dazu finden viele, dass die Gewaltenteilung mit der Initiative arg verletzt werde – das ist ausschlaggebend für den Widerstand bis weit ins bürgerliche Lager. Sie finden, das Parlament werde ausgehebelt, die Richter hätten nicht mehr viel zu sagen. Dieser Art von Initiative wollen sie einen Riegel schieben.
Der Abstimmungskampf ist im vollen Gange, obwohl es noch fast vier Wochen bis zum Urnengang geht. Worauf kommt es jetzt bei den beiden Lagern an, wenn sie sich durchsetzen wollen?
Was wir jetzt sehen, ist eine Auseinandersetzung darüber, über welche Aspekte der Initiative geredet wird. Die SVP hat es lange geschafft, dass über Kriminalität und Sicherheit gesprochen wird. Jetzt ist es den Gegnern gelungen, dass Aspekte wie Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit und Verhaltnismässigkeit im Vordergrund stehen. Damit haben sie die SVP in die Defensive gedrängt. Wenn ihnen das bis zum Schluss gelingt, ist ein Nein an der Urne gut möglich.
Das Gespräch führte Matthias Heim.