Der Abstimmungssonntag war mit vier Vorlagen reich befrachtet. Doch ein Ergebnis ragte zweifellos heraus: Die SVP erleidet bei einem ihrer Kernthemen, der Ausländerpolitik, eine empfindliche Niederlage. Mit fast 60 Prozent sprechen sich die Stimmbürger gegen die SVP-Vorlage aus; auch das Ständemehr verfehlt sie deutlich.
Emotionen an den politischen Rändern
Auch in der Präsidentenrunde bei SRF überstrahlte die polarisierende Vorlage die Debatte. Und SP-Präsident Christian Levrat sah tatsächlich einen wegweisenden Volksentscheid: «Die Bevölkerung ist aufgestanden und hat sich massiv mobilisiert – das hat der Demokratie gut getan.» Für Levrat ging es denn auch um mehr als ein härteres Regime gegen kriminelle Ausländer: «Es geht nicht, dass laufend gegen Richter, den Bundesrat, ja die ganze Classe politique gehetzt wird. Es gibt Leute in diesem Land, die davon genug haben.»
Beruhigen Sie sich, Herr Levrat.
SVP-Präsident Toni Brunner wiegelte den Angriff auf den politischen Stil der SVP ab. Es brauche auch künftig Klärungen, ob etwa Schweizer Recht fremden Richtern vorausgehen sollte, womit er auf die kommende Selbstbestimmungsinitiative anspielte. Von einem «Chlapf» für seine Partei wollte Brunner nichts wissen: «Volksinitiativen haben es immer schwer. Man muss das Ergebnis relativieren: Wir wurden massiv bekämpft und holen trotzdem 40 Prozent.»
Schliesslich konnte der scheidende Parteipräsident der Mobilisierung gegen die Durchsetzungsinitiative auch etwas Positives abgewinnen: «Wir sind offenbar die einzige Partei in diesem Land, die die Schweizer Bevölkerung bewegt und zur Demokratie heranführt.»
Erleichterung zwischen den Fronten
Weniger schroff war der Tonfall bei den Präsidenten von CVP und FDP. Christophe Darbellay zeigte sich erleichtert, dass sich das Volk gegen die «unnötige Zwängerei der SVP» entschieden habe: «Es ist ein Sieg des Rechtsstaats und der Zivilgesellschaft», so der CVP-Präsident. Der scheidende FDP-Präsident Philipp Müller befand derweil: «Die SVP ist mit der Initiative einfach zu weit gegangen.» Müller rechnet indes nicht damit, dass die SVP nun handzahm wird: «Wir kennen die Partei zur Genüge.»
Das ist die Quittung für die Politik der SVP.
Die wichtigste Botschaft des Tages sah Müller aber nicht im vermeintlichen Veto gegen den politischen Stil der SVP: «Wir gehen jetzt nicht zur Tagesordnung über. Das Gesetz zur Ausschaffungsinitiative muss sehr schnell in Kraft treten. Und wir erwarten, dass dem Gesetz auch nachgelebt wird – im Sinn und Geist, wie es das Volk entschieden hat.»
Pfefferscharfe Umsetzung der Ausschaffungsinitiative?
Genau hier möchte Toni Brunner die restlichen Parteien beim Wort nehmen. «Philipp Müller sprach immer von einer ‹pfefferscharfen› Umsetzung der Ausschaffungsinitiative.» Jetzt nehme man die Gegner der Durchsetzungsinitiative auch beim Wort: «Wenn es stimmt, was die Gegner uns immer erzählt haben, wird es nicht 500, sondern 4000 Ausschaffungen geben.» Wenn das nicht ernst genommen werde, müsse die SVP neu über die Bücher: «Und vielleicht muss dann die Härtefallklausel weg.»
Das Parlament habe ein scharfes Gesetz gemacht, schlichtete CVP-Präsident Darbellay. Dieses solle jetzt auch zur Anwendung kommen: «Wir müssen Mass halten: Ganz schwere Verbrechen müssen automatisch zur Ausweisung führen. Aber bei ‹Bagatellfällen› muss der Richter von Fall zu Fall entscheiden.»
Philipp Müller sekundierte seinen Kollegen von der CVP und SP: «Das Volk hat sich für den Erhalt der Gewaltenteilung ausgesprochen.» Diese müsse – trotz einer «pfefferscharfen Umsetzung» der Ausschaffungsinitiative – respektiert werden.