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Durchsetzungs-Initiative «Secondos – lasst euch einbürgern!»

Die Angst vor einer Zwei-Klassen-Justiz trieb viele Stimmbürger an die Urne. Gerade, weil Menschen betroffen wären, die ihr ganzes Leben in der Schweiz verbracht haben. Jetzt warnt der Gewerkschaftsbund: Die Gefahr ist nicht gebannt.

Mann mit Schweizer Pass.
Legende: Der Schweizer Pass: Das einzige griffige Mittel gegen eine Sonderjustiz? Keystone

Die abgelehnte Durchsetzungsinitiative der SVP hat nicht unterschieden zwischen Ausländern, die nach der Geburt in die Schweiz gekommen sind und solchen, die seit Geburt hier leben, den sogenannten Secondos. Sie alle wären des Landes verwiesen worden, hätten sie gewisse Delikte begangen.

Mit dem Nein zur Durchsetzungsinitiative tritt nun stattdessen in den nächsten Monaten das Gesetz in Kraft zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative der SVP. Diese hat das Schweizervolk 2010 angenommen. Dieses Gesetz betrifft Secondos ebenfalls.

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Die Härtefallklausel als Schutz für Secondos?

Allerdings kann hier das Gericht in Härtefällen auf eine Ausweisung verzichten. Insbesondere sei «der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen» seien, heisst es darin wörtlich.

Konkret: Bei kriminellen Secondos muss das Gericht prüfen, ob eine Ausweisung in ein Land, das nicht ihre Heimat ist, unzumutbar wäre und deshalb darauf verzichtet werden sollte.

Gewerkschaftsbund traut Gerichten nicht

Secondos müssten also eigentlich aufatmen können. Doch der Schweizerische Gewerkschaftsbund ist skeptisch. Zwar gebe es nun diese Härtefallklausel, sagt Präsident Paul Rechsteiner, Ständerat der SP aus dem Kanton St. Gallen: «Trotzdem ist es so, dass sich die Praxis der Gerichte und Behörden in den letzten zehn, zwanzig Jahren stark verschärft hat – auch und vor allem gegenüber jungen Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind.»

Der Gewerkschaftsbund traut den Gerichten also nicht und befürchtet, dass die Härtefallklausel nicht immer zugunsten der Secondos ausgelegt werden könnte. Er richtet deshalb den Aufruf an alle Ausländer der zweiten Generation: Lasst euch jetzt einbürgern!

Auch die Schweizer Behörden müssten aktiv werden, fordert Vania Alleva, Präsidentin der Gewerkschaft Unia, selber Seconda – und eingebürgert: «Es ist ganz wichtig, dass es eine Offensive von Seiten der Gemeinden und Kantone gibt.» Die «Einzubürgernden» sollten aktiv willkommen geheissen werden, so Alleva.

900'000 Ausländer erfüllen Einbürgerungskriterien

Voraussichtlich ab nächstem Jahr würden neue Regeln für die Einbürgerung gelten, gibt Gewerkschaftsbund-Präsident Rechsteiner zu bedenken. Das revidierte Bürgerrechtsgesetz dürfte dann in Kraft treten, und das bringe sowohl Erleichterungen wie auch Verschärfungen.

An die Adresse von Secondos, die sich überlegen, den Schweizerpass zu beantragen, sagt Rechsteiner: «Das sollte man rasch tun – in all den Kantonen, wo es genügt, den ‹Aufenthalt› zu haben. Also dort wo der B-Ausweis ausreicht und nicht der C-Ausweis nötig ist.»

Denn mit dem neuen Bürgerrechtsgesetz darf sich künftig nur noch einbürgern lassen, wer bereits über eine Niederlassungsbewilligung C verfügt. Der Gewerkschaftsbund geht nach seinen Berechnungen davon aus, dass zurzeit rund 900'000 Menschen in der Schweiz mit ausländischem Pass die Kriterien für eine Einbürgerung erfüllen würden.

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