Fünf Schweizer Gemeinden von Ost bis West haben wir herausgepickt und mit denjenigen gesprochen, die Einbürgerungsgespräche bei den ordentlichen Einbürgerungen mit Kandidaten führen. Bei den erleichterten Einbürgerungen fallen diese Gespräche weg.
In den ausgewählten Gemeinden sind die Bewerber vor einem Einbürgerungsgespräch jeweils auf kantonaler Ebene schon zu folgenden Punkten befragt worden: Sprachkenntnisse, finanzielle Situation und erforderliche Wohnsitzfrist.
Onex, Kanton Genf – die Gemütliche
Die Gemeinde Onex liegt fünf Kilometer vom Genfer Stadtzentrum entfernt und zählt rund 19'000 Einwohner. Davon sind 36 Prozent Ausländer. Onex verzeichnet rund zehn Einbürgerungsanfragen im Monat. Anders als in anderen Gemeinden gibt es drei Gemeindepräsidenten, die im Jahresturnus das Amt bekleiden. Auch bei den Einbürgerungsgesprächen wechseln sie sich ab und führen diese als Tête-à-Tête mit den Kandidaten in ihrem Büro. «Wenn die Kandidaten sehr nervös sind, mache ich erst mal einen Kaffee, um die Situation zu entschärfen. Es soll eine gute Stimmung herrschen», erzählt François Mumenthaler, einer der Präsidenten.
Es gebe absichtlich keine vorbereiteten Fragen, die Gespräche entstünden aus der Situation. Ohnehin sei es die allerletzte Station eines langen Prüfungsverfahrens. «Wir versuchen herauszufinden, wer diese Menschen sind und vor allem, warum sie Onésien werden wollen», erklärt Mumenthaler. Direkte persönliche Fragen über Einkaufspräferenzen, Familie und Liebesleben stelle man nicht. Die Informationen sollten ungezwungen aus dem Gespräch herauskommen.
Danach sitzen alle drei Präsidenten zusammen, diskutieren den Fall und entscheiden über die Einbürgerung oder nicht.
Altdorf, Kanton Uri – die Persönliche
Der Kanton Uri testet neben Sprachkenntnissen auch Grundlagenwissen und Staatskunde. Wer über Geschichte und regionale Besonderheiten Bescheid weiss, kommt zur Gemeinde und wird auf die Integrationsfähigkeit geprüft: eben das Einbürgerungsgespräch. Dafür zuständig ist die Gemeindesozialarbeiterin Christine Herrscher: «Vor drei Jahren habe ich selbst dieses Prozedere durchgemacht. Das hilft vielleicht sogar, weil ich weiss, was es heisst, wenn man sich aktiv bemühen muss, den Schweizer Pass zu bekommen», und fügt an: «Sicher ist dieses Unterfangen als Deutsche einfacher als für jemanden aus Afghanistan.»
Am liebsten trifft Christine Herrscher die Kandidaten bei ihnen zu Hause: «Nicht weil ich à la Schweizermacher in alle Schlafzimmer gucken will.» Sondern: Die Kandidaten seien einfach weniger nervös und redeten in den eigenen vier Wänden deutlich mehr.
«Die Kandidaten müssen für mich nicht den Schweizer Psalm singen, sondern reflektiert ausdrücken, was ihre Zukunftspläne sind.» Wenn jemand sage, dass er die Ferien ausschliesslich in seiner Heimat verbringt, und als Partner nur jemand aus der Heimat in Frage käme, dann seien das Indizien, dass diese Person noch nicht bereit sei, Altdorfer zu werden.
Nach dem Gespräch gibt die Sozialarbeiterin eine Empfehlung an den Gemeinderat ab. Dieser entscheidet dann über die Einbürgerung. Bei Zweifeln findet ein Zweitgespräch statt, bei dem auch ein Gemeinderat dabei ist. Dies sei aber selten der Fall, sagt Herrscher.
Stadt Bern – die Akademische
In der Hauptstadt ist das Polizeiinspektorat zuständig, genauer gesagt der Einbürgerungsdienst, wo speziell ausgebildete Personen diese Gespräche führen. Im Internet kann man sich den Fragekatalog herunterladen, um sich auf das Gespräch vorzubereiten.
Abgefragt wird eine Auswahl genau dieser Fragen – Überraschungen gibt es keine. Von diesen Fragen müssen mindestens sechzig Prozent richtig beantwortet werden.
Die Gespräche zwischen Fachperson und Kandidat dauern verschieden lang: «Manche beginnen unaufgefordert zu reden. Sie wollen sich richtig verkaufen. Sie erzählen wie verwurzelt sie in Bern sind und dass es ihre neue Heimat ist. Und es gibt immer wieder solche, die ausfällig werden. Weil sie das ganze Prozedere als unfair empfinden oder nicht verstehen. Beleidigen lassen müssen sich unsere Mitarbeiter nicht – das Gespräch wird dann abgebrochen», erzählt Alexander Ott vom Polizeiinspektorat der Stadt Bern.
Je nach Verlauf des Gesprächs muss der Kandidat nochmals antreten oder der Einbürgerungsdienst gibt die Empfehlung an den Gemeinderat und dann ist es meist nur noch Formsache.
Stadt Zürich – die Nüchterne
Bei der Zürcher Abteilung Einbürgerung werden die Bewerber in einem Einzelgespräch befragt. Zur dessen Vorbereitung bekommt die betreffende Person eine Broschüre, welche in einfachem Deutsch das ganze geforderte Wissen enthält. Aus einem standardisierten Fragekatalog wird in einem halbstündigen Gespräch der Kandidat oder die Kandidatin auf die Grundkenntnisse über politische und soziale Strukturen Zürichs geprüft.
In Zürich ist Michael Lamatsch zuständig für die Einbürgerungen und betont, dass diese Gespräche viel Feingefühl erfordern: «Ich habe einen jungen Bewerber aus dem Balkan, der in den 1990er-Jahren als Waise in die Schweiz gekommen ist, gefragt, warum sein Lebenslauf so unstet ist. Darauf ist er in Tränen ausgebrochen und das ganze Kriegstrauma ist wieder in ihm hochgekommen. So eine Unachtsamkeit ist mir danach nie wieder passiert.»
In Zürich muss in einem Gespräch eine Mindestanzahl an Fragen richtig beantwortet sein. Fällt die Befragung positiv aus, gibt die Abteilung Einbürgerung ihre Empfehlung an den Stadtrat weiter und dieser trifft die finale Einbürgerungsentscheidung.
Lausanne, Kanton Waadt – die Effiziente
Nachdem die Polizei bereits einen Test zur Integration der Person gemacht hat, folgt im Lausanner Gemeindebüro das Einbürgerungsgespräch. Drei Mitglieder des Stadtrats und eine Person fürs Protokoll sitzen mit dem Kandidaten zusammen.
Gesprächsdauer ist fünfzehn Minuten. Fünf Minuten Fragezeit pro Thema: Wissen über die Schweiz, Wissen über den Kanton Waadt und Wissen über die politischen Institutionen. Das Einbürgerungsbüro lässt sich wie folgt zitieren: «Diese Personen können künftig in ein politisches Amt gewählt werden. Da ist es essentiell, dass diese über Geschichte und vor allem die politischen Institutionen der Region und des Landes Bescheid wissen.» Innerhalb von ein bis zwei Wochen bekommt der Kandidat dann den Entscheid mitgeteilt.