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Eindämmung der Corona-Pandemie Wird der Effekt von Schulschliessungen unterschätzt?

Simple Massnahme, grosse Wirkung: Eine Studie der Universität Oxford hält Schulschliessungen für besonders effektiv.

Sind Schulschliessungen in der Schweiz nach den gestrigen Entscheiden des Bundesrats noch ein Thema? Beim Shutdown im Frühling galt die Schliessung von Schulen auch in der Schweiz als ein wesentlicher Schritt, um die Pandemie einzudämmen. In den letzten Wochen wurde das öffentliche Leben erneut heruntergefahren, die Schulen blieben aber offen. Allerdings: Einzelne Kantone haben die Schulkinder in vorgezogene Weihnachtsferien geschickt. Andere erwägen, die Weihnachtsferien zu verlängern. Und: Am Montag wird sich die Konferenz der Deutschschweizer Volksschulämter mit Schulschliessungen befassen.

Geschlossenes Pub in Grossbritannien.
Legende: Die Forschergruppe untersuchte verschiedene staatliche Eingriffe in das öffentliche Leben in 41 Ländern. Reuters

Zu welchen Ergebnissen kommt die Studie? Laut der Studie der Universität Oxford sind Schulschliessungen eines der wirksamsten Mittel zur Eindämmung der Pandemie. Die Schliessung von Restaurants und Bars zeigte eine grosse Wirkung. Wenn man darüberhinaus auch noch alle nicht lebensnotwenigen Geschäfte schloss, war die Wirkung nicht mehr viel grösser. Alle Massnahmen, bei denen die Kontakte stark verringert wurden, haben sich gelohnt. Insbesondere das Versammlungsverbot von mehr als zehn Personen. Generelle Ausgangssperren darüber hinaus brachten aber keine spürbare weitere Wirkung.

Die Studie der Universität Oxford

Sind die Erkenntnisse verlässlich? SRF-Wissenschaftsredaktor Christian von Burg hat sich mit der Studie beschäftigt. Für ihn ist klar: «Es ist eine grosse Überblicksstudie von renommierten Forschern. Sie ist sicher solide.» Es bleibt aber eine Unsicherheit, wie die Studienautoren selber betonten: Waren Schulschliessungen derart wirksam, weil auch die Eltern zuhause blieben und sich damit alle weniger bewegten? Oder steckten sich Schülerinnen und Schüler untereinander weniger an und brachten das Virus damit nicht mehr nachhause?

Wie ansteckend sind Schulkinder? Seit Beginn der Pandemie sind Virologen und Epidemiologen uneins darüber, welche Ansteckungsgefahr von Schulkindern ausgeht. «Das ist die grosse ungelöste Frage. Man weiss schlicht zu wenig», sagt von Burg. Auch, weil Kinder meist viel weniger starke oder gar keine Symptome haben. Zudem werden sie auch viel weniger getestet. Es fehlt also an gesicherten Daten. Klar ist aber: «Kinder und Jugendliche tragen das Virus genau gleich häufig in sich wie Erwachsene. Sie werden also nicht verschont», so der Wissenschaftsredaktor. Dies belegen Antikörpertests.

Warum sind die Experten uneins? Der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité nennt bei Twitter eine wichtige Erkenntnis aus der Studie: «Starker Effekt von Schulschliessungen». Er verweist aber zugleich darauf, dass andere Studien keine Effekte von Schulschliessungen finden.

Von Burg bestätigt: Die Daten gehen auseinander, teilweise widersprechen sich Studien. Und auch die Ansprüche der Akteure und Entscheidungsträger gehen auseinander. Ein wichtiger Faktor: «Man will die Schüler möglichst in den Schulen behalten, weil man weiss, was Schulschliessungen für negative Auswirkungen auf sie hat.»

Wo stehen die Schweizer Experten? Die Vielzahl der Meinungen widerspiegelt sich auch in der Schweiz. Die Taskforce des Bundes macht sich derzeit dafür stark, die Quarantäne-Regel für Kinder zu lockern. Andererseits sagte Taskforce-Leiter Martin Ackermann diese Woche, es sei eine Überlegung wert, die Schulen nach Weihnachten noch länger geschlossen zu halten. Die Begründung: Damit könne verhindert werden, dass sich die Ansteckungen aus den Festtagen zurück in die Schulen verlagerten.

Rendez-vous vom 18.12.2020, 12:30 Uhr ; 

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