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Einsprachen und Verzögerungen Strom aus erneuerbaren Quellen: ein Wettlauf gegen die Zeit

Die Schweiz muss viel erneuerbare Energie zubauen, will sie bis 2050 klimaneutral werden und ihre Atomkraftwerke auslaufen lassen. Doch Einsprachen blockieren Projekte. Eine Vorlage, gegen die das Referendum eingereicht wurde, will für Schub sorgen. Verzögerungen gibt es trotzdem. Ein Beispiel.

Das Wasser des Triftgletschers tost im Kraftwerk Innertkirchen. Schon heute erzeugt es Strom, vor allem im Sommer. Neu soll es dank einer 130 Meter hohen Staumauer gespeichert werden können und im Winter, wenn die Schweiz zu wenig Strom hat, Energie liefern für 120'000 Haushalte. «Es ist ein wichtiger Teil der Energiewende», sagt Projektleiter Benno Schwegler. Produziert würden rund zehn Prozent jener zwei Terawattstunden Winterstrom, welche mit den Wasserkraftprojekten von nationaler Bedeutung erzeugt werden sollen.

Es ist eines der fünfzehn Projekte, die an einem runden Tisch ausgewählt worden waren. In diesen Fällen sollen die Interessen der Energieproduktion höher gewichtet werden als die Umweltschutzinteressen. Scheinbar alle waren einverstanden: die grossen Naturschutzverbände, denen Ausgleichsmassnahmen zugesagt wurden, das Berner Kantonsparlament, und auch das eidgenössische Parlament, welches die Liste noch um ein Projekt ergänzte und sie ins Gesetz schrieb.

«Verzögerung von mehreren Jahren»

Doch dann kamen beim Trift-Projekt doch noch Einsprachen von kleineren Verbänden, welche den Eingriff in die fast unberührte Landschaft nicht hinnehmen wollen. «Das bedeutet wohl eine Verzögerung von mehreren Jahren», sagt Projektleiter Schwegler.

Triftgletscher.
Legende: Der Triftgletscher, der Triftsee mit der Trift-Hängebrücke bei Gadmen. Das Trift-Projekt der Firma Kraftwerke Oberhasli AG (KWO), das einen Stausee und ein Wasserkraftwerk vorsieht, will diese Bodensenke für den Staudamm nutzen und so Strom erzeugen. KEYSTONE/GAETAN BALLY

Die vielen Einsprachen waren am Stromkongress in Bern denn auch ein grosses Sorgenthema. Denn will die Schweiz ihre Ziele erreichen und bis 2050 klimaneutral werden, muss sie bis dann rund 45 Terawattstunden erneuerbare Energien zubauen – zum Beispiel aus Wasser, Wind, Sonne und Biomasse. Das ist viel. Zum Vergleich: Heute verbraucht die Schweiz rund 60 Terawattstunden Strom.

Branche und Politik fürchten das Referendum

Die Hoffnungen von Branche und Politik ruhen darum auch auf der Vorlage zur Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, gegen die diese Woche das Referendum eingereicht wurde. «Das Gesetz macht es für Gerichte später klar, dass bei diesen spezifischen Projekten die Stromproduktion Vorrang hat vor Schutzinteressen», sagt Energieminister Albert Rösti. «Dieses Gesetz bietet Stromversorgungssicherheit.» Aus Sicht der Referendumsführerinnen wird dafür aber zu viel Natur geopfert.

Noch ist das Gesetz also nicht in Kraft – die Abstimmung darüber könnte bereits im Juni stattfinden. Unklar ist auch, inwiefern das Trift-Projekt davon profitieren könnte, sollte das Gesetz voraussichtlich 2025 in Kraft treten. Sollte das Projekt dann noch in einem Rechtsmittelverfahren hängig sein: Müsste das Gericht nach altem Recht die Interessen selber abwägen oder nach neuem Recht auf jeden Fall der Energieproduktion den Vorrang geben?

Das Bundesamt für Energie schreibt dazu auf Anfrage von SRF, das müsste das Gericht selbst entscheiden. Sofern Bundesrat Rösti vorher nicht tätig wird. Denn das Amt schreibt auch: «Wir prüfen eine Übergangsbestimmung auf Verordnungsstufe, die sicherstellen könnte, dass die neuen Bestimmungen zur Anwendung kommen.» In diesem Fall wäre das Trift-Projekt gerettet. Wenn auch mit jahrelanger Verzögerung.

Tagesschau, 18.1.2024, 19:30 Uhr

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